Von
all den Zeugen, die geladen,
Vergeß
ich auch die Zeugen nicht,
Als
sie in Reihn den Saal betraten,
Erhob
sich schweigend das Gericht.
Wir
blickten auf die Kleinen nieder,
ein
Zug zog paarweis durch den Saal.
Es
war, als tönten Kinderlieder,
Ganz
leise, fern, wie ein Choral.
Es
war ein langer bunter Reigen,
Der
durch den ganzen Saal sich schlang.
Und
immer tiefer ward das Schweigen
Bei
diesem Gang und Kindersang.
Voran
die kleinsten von den Kleinen,
sie
lernten jetzt erst richtig gehen
-Auch
Schuhchen können lachen, weinen -.
Ward
je ein solcher Zug gesehn!
Es
tritt ein winzig Paar zur Seite,
Um
sich ein wenig auszuruhn,
Und
weiter zieht es in die Weite-
Es
war ein Zug von Kinderschuhn.
Man
sieht, wie sie den Füßchen passten-
Sie
haben niemals weh getan,
Und
Händchen spielten mit den Quasten.
Das
Kind zog gern die Schuhchen an.
Ein
Paar aus Samt, ein Paar aus Seiden,
Und
eines war bestickt sogar
Mit
Blumen, wie sie ziehn, die beiden
Sind
ein schmuckes Hochzeitspaar.
Mit
Bändchen, Schnallen und mit Spangen,
Zwergenhafte
Wesen, federleicht-
Und
viel’ sind viel zu lang gegangen,
Und
sind vom Regen durchgeweicht.
Man
sieht die Mutter auf den Armen
Das
Kind, vor einem Laden stehn:
„Die
Schuhchen, die, die weichen, warmen,
Ach,
Mutter, sind die Schuhchen schön!“
„Wie
soll ich nur die Schuhchen zahlen.
Wo
nehm das Geld ich dafür her...“
Es
naht ein Paar von Holzsandalen,
Es
ist schon müd und schleppt sich schwer.
Es
muß ein Strümpfchen mit sich schleifen,
Das
wundgescheuert ist am Knie...
Was
soll der Zug? Wer kann’s begreifen?
Und
diese ferne Melodie...
Auch
Schuhchen können weinen, lachen...
Da
fährt in einem leeren Schuh
Ein
Püppchen wie in einem Nachen
Und
winkt uns wie im Märchen zu.
Hier
geht ein Paar von einem Jungen,
Das
hat sich schon als Schuh gefühlt,
Das
ist gelaufen und gesprungen
Und
hat auch wohl schon Ball gespielt.
Ein
Stiefelchen hat sich verloren
Und
findet den Gefährten nicht,
Vielleicht
ist er am Weg erfroren-
Ach,
damals fiel der Schnee so dicht...
Zum
Schluß ein Paar, ganz abgetragen,
Das
macht noch immer mit, wozu?
Als
hätte es noch was zu sagen,
Ein
Paar zerrissener Kinderschuh.
Ihr
heimatlosen, kinderlosen,
Wer
schickt euch? Wer zog euch aus?
Wo
sind die Füßchen, all die bloßen?
Ließt
ihr sie ohne Schuh’ zu Haus...?
Der
Richter kann die Frage deuten.
Er
nennt der toten Kinder Zahl...
Ein
Kinderchor. Ein Totenläuten.
Die
Zeugen gehen durch den Saal.
Die
Deutschen waren schon vertrieben,
Da
fand man diesen schlimmen Fund.
Wo
sind die Kinder nur geblieben?
Die
Schuhe tun die Wahrheit kund:
Es
war ein harter, dunkler Wagen.
Wir
fuhren mit der Eisenbahn.
Und
wie wir in dem Dunkel lagen,
so
kamen wir im Dunkel an.
Es
kamen aus den Läden allen
Viel
Schuhchen an in einem fort,
Und
manche stolpern schon und fallen,
Bevor
sie treffen ein am Ort.
Die
Mutter sagte: “Wieviel Wochen
Wir
hatten schon nichts Warmes mehr!
Nun
wird ich uns ein Süppchen kochen.“
Ein
Mann mit Hund ging nebenher:
„Es
wird sich schon ein Plätzchen finden“,
So
lachte er, „und warm ist’s auch,
Hier
braucht sich keiner abzuschinden...“
Bis
in den Himmel kroch ein Rauch.
„Es
wird euch nicht an Wärme fehlen,
Wir
heizen immer tüchtig ein.
Ich
kann Lublin nur warm empfehlen,
Bei
uns herrscht ewiger Sonnenschein.“
Und
es war eine deutsche Tante,
die
uns im Lager von Lublin
Empfing
und „Engelspüppchen“ nannte,
Um
uns die Schuhchen auszuziehn,
Und
als wir fingen an zu weinen,
Da
sprach die Tante: „Sollt mal sehn,
Gleich
wird die Sonne prächtig scheinen,
Und
darum dürft ihr barfuß gehen...
Stellt
euch mal auf und lasst euch zählen,
So,
seid ihr auch hübsch unbeschuht?
Es
wird euch nicht an Wärme fehlen,
Dafür
sorgt unsere Sonnenglut...
Was,
weint ihr noch? ‚s ist eine Schande!
Was
tut euch denn, ihr Püppchen, weh?
Ich
bin die deutsche Märchentante!
Die
gute deutsche Puppenfee.
’s
ist Zeit, ihr Püppchen, angetreten!
Was
fällt euch ein denn, hinzuknien.
Auf,
lasst uns singen und nicht beten!
Es
scheint die Sonne in Lublin!“
Es
sang ein Lied die deutsche Tante.
Strafft
sich den Rock und geht voraus,
Und
dort, wo heiß die Sonne brannte,
Zählt
sie uns nochmals vor dem Haus.
Zu
hundert, nackt in einer Zelle,
Ein
letzter Kinderschrei erstickt...
Dann
wurden von der Sammelstelle
Die
Schuhchen in das Reich geschickt.
Es
schien sich das Geschäft zu lohnen,
Das
Todeslager von Lublin.
Gefangenenzüge,
Prozessionen.
Und-
eine deutsche Sonne schien...
Wenn
Tote einst als Rächer schreiten,
Und
über Deutschland hallt ihr Schritt,
Und
weithin sich die Schatten breiten-
Dann
ziehen auch die Schuhchen mit.
Ein
Zug von abertausend Zwergen,
So
ziehen sie dahin in Reihn,
Und
wo die Schergen sich verbergen,
Dort
treten sie unheimlich ein.
Sie
schleichen sich herauf die Stiegen,
Sie
treten in die Zimmer leis.
Die
Henker wie gefesselt liegen
Und
zittern vor dem Schuldbeweis.
Es
wird die Sonne brennend scheinen.
Die
Wahrheit tut sich allen kund.
Es
ist ein großes Kinderweinen,
Ein
Grabgesang aus Kindermund...
Der
Kindermord ist klar erwiesen.
Die
Zeugen all bekunden ihn.
Und
nie vergeß ich unter diesen
Die
Kinderschuhe aus Lublin.