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Die Gaskammern in Neuengamme


Letztes Update 25. Juni 2006





Modell und Karte des Gefangenenlagers.
Gefangenenlager
Das Konzentrationslager Neuengamme wurde Ende 1938 etwa 30 Kilometer östlich von Hamburg erbaut. Es war bis Anfang 1940 ein Außenlager des KZ Sachsenhausen, danach selbständiges KZ. Von den etwa 104.000 Menschen, die in Neuengamme inhaftiert waren, haben zwischen 40.000 und 55.000 nicht überlebt.
Wie in den meisten Konzentrationslagern kamen sowjetische Kriegsgefangene auch nach Neuengamme, und auch hier richtete sich der Vernichtungswille der SS besonders gegen diese Gruppe von Häftlingen.

Das Lagergefängnis. Der sogenannte Bunker hatte 5 Zellen.
Der "Bunker" #1
In Neuengamme fanden zwei Vergasungsaktionen statt, die sich ausschließlich gegen sowjetische Kriegsgefangene richteten. Der Massenmord wurde in provisorischen Gaskammern im "Bunker", dem Lagergefängnis, durchgeführt.
Anfang September 1942 wurden am "Bunker"-Gebäude Vorbereitungen getroffen, um die sowjetischen Gefangenen mittels Zyklon B-Gas umzubringen. Es wurden Röhren durch das Dach geführt und Ventilatoren eingebaut, die für eine schnelle Verbreitung des Gases in den Gaskammern sorgen sollten. Da das Bunkergebäude relativ klein war (8x6 m) und nur 5 Zellen umfasste, waren keine größeren Umbauten notwendig.

Die erste Vergasung fand im September 1942 statt. 197 sowjetische Kriegsgefangene aus dem Kriegsgefangenenlager Stalag XI B bei Fallingbostel (bei Bergen-Belsen in der Lüneburger Heide) waren die Opfer. Die Lagerleitung tat merkwürdigerweise nichts, um den Massemord zu verheimlichen: man ließ die Russen auf dem Appellplatz antreten. Während des Abendappells und unter aller Augen befahl man ihnen, sich auszukleiden. Man teilte ihnen öffentlich mit, dass sie desinfiziert werden müssten, weil im Lager Seuchengefahr herrsche.
Jedem Gefangenen in Neuengamme war klar, welches Schicksal den Russen bestimmt war, denn man hatte die Vorbereitungen für die Vergasungen im Bunker schon vorher bemerkt. Die Häftlinge auf dem Appellplatz mussten schließlich die Schreie der eingeschlossenen Russen mit anhören, nachdem das Giftgas freigesetzt worden war.
Ein Zeuge gab an, dass das Sterben ungefähr 10 Minuten dauerte. Danach wurden Fenster und Türen geöffnet und die Leichen herausgezogen. Anschließend wurden diese auf Rollwagen durch das Lager ins Krematorium gebracht. Erst nachdem die Leichen weggebracht worden waren, durften die übrigen Häftlinge den Appellplatz verlassen.

Der Flur des Bunkers mit den Eingängen zu den 5 Zellen.
Der "Bunker" #2
Die zweite und letzte Vergasung fand im November 1942 statt. Nun wurden 251 sowjetische Kriegsgefangene (wiederum aus Fallingbostel) ermordet. Diesmal waren die Opfer Invaliden. Wer Prothesen trug, musste sie ablegen. Deshalb mussten mehrere Invaliden von ihren Kameraden in die Gaskammern getragen werden.
Auch bei dieser Vergasung machte sich die SS keine besondere Mühe, sie zu verheimlichen. Man hatte zwar den Eingang zum Bunker von der Appellplatzseite auf die andere Seite verlegt, aber die Häftlinge, die im Bad oder im Revier I arbeiteten, konnten alles sehen. Außerdem wurden die Opfer wiederum gezwungen, sich auf dem Appellplatz zu entkleiden, bevor sie in die Gaskammern getrieben wurden.

Max Pauly
Beim ersten Prozess in Hamburg ("Curiohaus-Prozess" vom 18. März bis 3. Mai 1946) gegen den Kommandanten Max Pauly und 13 weitere SS-Angehörige des KZ Neuengamme hat der Angeklagte Bahr, der als SS-Sanitäter in Neuengamme arbeitete, recht offen über seine Mitwirkung bei den Morden ausgesagt. Auf die Frage seines Verteidigers nach der Zahl der Opfer bei der ersten Vergasung antwortete Bahr:
"Ungefähr 180-200."
Verteidiger: “Wurden im Herbst 1942 an dem sogenannten Bunker gewisse Veränderungen vorgenommen?“
Zeuge: “Ich habe diese Veränderungen wohl gesehen, aber weiter kann ich auch nichts sagen.“
Verteidiger: “Worin bestanden diese Veränderungen im Wesentlichen?“
Zeuge: “Oben auf dem Dach wurde ein Rohr angebracht und eine künstliche Heißluftanlage mit elektrischer Spirale. Ich habe gedacht, was das wohl werden sollte, da ich von der Sache nichts wusste.“(zitiert nach Bringmann)
Später sagte Bahr aus, dass er 5 Dosen Zyklon B geholt hatte, wahrscheinlich eine für jede Zelle. Nachdem er, auf dem Dach stehend und mit einer Gasmaske versehen, die schon geöffneten Dosen in Empfang genommen hatte, schüttete er je die Hälfte einer Dose in jedes der 5 Rohre. Nach etwa zwei Stunden wurde der Bunker geöffnet und die Leichen ins Krematorium gebracht.

Elf Todesurteile wurden ausgesprochen und am 10. Oktober 1946 im Zuchthaus in Hameln vollstreckt. Hingerichtet wurden u.a. Max Pauly, Ewald Jauch, Johann Frahm und der SS-Arzt Dr. Alfred Trzebinski.

Quellen:
Kaienburg, Hermann: Das Konzentrationslager Neuengamme 1938-1945, Gedenkstätte Neuengamme, Dietz Taschenbuch, Bonn 1997
Bringmann, Fritz: KZ Neuengamme - Berichte, Erinnerungen, Dokumente, 3. Auflage Frankfurt/M. 1982
Kogon, Eugen u.a.: Nationalsozialistische Massentötungen durch Giftgas, Frankfurt/M. 1986
Bauche, Ulrich u.a. (Hrsg.): Arbeit und Vernichtung - Das Konzentrationslager Neuengamme 1938-1945, 2. Auflage, Hambug 1991
Wikipedia
Gedenkstätte Neuengamme

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