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Lagerkarte |
Das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück bei
Fürstenberg
(ca. 90 km nördlich von
Berlin) wurde
1939
gegründet. Der gesamte Lagerkomplex umfasste auch ein kleineres Männerlager,und das sogenannte
"Jugendschutzlager Uckermark" sowie 28 Außenlager.
Insgesamt sind etwa 28.000 Menschen im Lagerkomplex Ravensbrück umgekommen.
Die geplante Gaskammer "Neue Wäscherei“
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Die "Neue Wäscherei" |
Auf dem Gelände der heutigen Gedenkstätte gibt es ein Gebäude, das aller Wahrscheinlichkeit nach
als Gaskammer (mit zwei Kammern) errichtet worden ist. Es handelt sich dabei um die sogenannte "Neue Wäscherei".
Der Bau dieses Gebäudes, das direkt außerhalb der nördlichen Lagermauer auf Höhe des "Reviers" lag,
begann im
Oktober 1944. Der Bau hat sich jedoch vermutlich wegen Materialmangel verzögert,
so dass die Lagerleitung
angesichts der Frontlage
Ende Januar / Anfang Februar 1945
eine provisorische Lösung finden musste. Es ist auch
möglich, dass die Häftlinge, die die Bauarbeiten ausführen mussten, absichtlich die Fertigstellung
verzögert haben, so dass die Anlage nie in Betrieb genommen werden konnte.
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Die "Neue Wäscherei" |
Es ist anzunehmen, dass der ehemalige Kommandant von
Auschwitz,
Rudolf Höss, in seiner Eigenschaft als Chef des Amtes
DI (Zentralbüro der Konzentrationslagerverwaltung) im WVHA (Wirtschaftsverwaltungshauptamt), zusammen mit seinem
Vorgesetzten
Oswald Pohl und dem Lagerkommandanten
Fritz Suhren den Bau
Ende Februar / Mitte März
inspiziert hat.
Dies wird vor allem von dem Zeugen
Walter Jahn, der seit
1941 im Männerlager inhaftiert war, bezeugt.
Jahn
hatte als Elektriker die Leitungen in der "Neuen Wäscherei" verlegen müssen und hat in
Nürnberg gegen
Pohl ausgesagt.
In Verbindung damit hat er eine Skizze der Gaskammern gefertigt.
Es gibt auch Aussagen von recht glaubwürdigen Zeugen über den Einsatz mobiler Gaskammern oder der
Einrichtung einer Gaskammer in einem umgebauten holländischen Eisenbahnwaggon, der in einem
Kiefernwald hinter dem sogenannten Siemenslager aufgestellt war. Diese Aussagen werden aber von einigen Forschern
als Gerüchte abgetan bzw. begründet angezweifelt.
Bemerkenswert ist, dass Angeklagte bei den Ravensbrücker Prozessen (insgesamt 7 Prozesse) offen von einer
Gaskammer "in der ehemaligen Baracke" gesprochen haben, nie jedoch eine andere Gaskammer erwähnt haben.
Die Gaskammer in der Baracke
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Krematorium und Ort der Gaskammerbaracke |
Da es weder Bauzeichnungen noch Gebäudereste wie z.B. Fundamente gibt, stützen sich alle Kenntnisse
über die eigentliche Gaskammer von Ravenbrück auf Aussagen von Zeugen, die sich alle (SS-Männer und
ehemalige Häftlinge) hinsichtlich der Art und Platzierung der Gaskammer einig waren.
Die einwandfrei bewiesene Gaskammer wurde in einer Materialbaracke des Malerkommandos, die sich in unmittelbarer Nähe
des Krematoriums befand, eingerichtet. Die Baracke wurde geleert und anschließend
abgedichtet. Das Gas (Zyklon B) wurde durch eine Öffnung in der Decke in die Kammer geworfen. Einige Zeugen gaben an,
dass dies von Häftlingen gemacht wurde. Dies kann jedoch angezweifelt werden, weil die SS normalerweise das
Einschütten des Giftgases stets selbst vorgenommen hat.
Nach Zeugenaussagen konnte eine Wand der Gaskammer herunter geklappt werden, wodurch das Herausziehen der Leichen
und die Entlüftung vereinfacht wurde. Andere Zeugen sprechen von einer zweiflügeligen Tür.
Um das Verbrechen zu verbergen, wurde ein 2 m hoher Zaun um die Baracke errichtet.
Wenige Meter von der Baracke entfernt befand sich ein kleiner Schuppen, in dem sich die Opfer auskleiden mussten,
bevor sie von der SS in die Gaskammer getrieben wurden. Ob SS-Ärzte bei den Vergasungen anwesend waren, ist unklar.
Die Häftlinge, die in der Gaskammer arbeiten mussten, kamen alle aus dem kleineren Männerlager und wurden am
25. April 1945 als "Geheimnisträger" kurz vor der Evakuierung des Lagers im
Bunker von der SS umgebracht.
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Mahnmal für die Gaskammerbaracke |
Der genaue Vorgang der Vergasungen lässt sich nicht mehr mit hundertprozentiger Sicherheit rekonstruieren;
dazu gibt es zu viele kleinere Abweichungen in den Zeugenaussagen.
Unklarheit herrscht auch über die Größe der Gaskammer. Zeugen wie der Schutzhaftlagerführer
SS-Hauptsturmführer
Johann Schwarzhuber, der von seiner bisherigen Arbeitstelle
Auschwitz-Birkenau einschlägige Erfahrungen hatte, gab in seiner Aussage vor
Gericht die Maße mit 9 x 4,50 m an. Ehemalige Häftlinge sprachen jedoch von einer Größe
von 4 x 6 m. Die Abweichung kann daher kommen, dass eine Zwischenwand eingebaut worden ist, wodurch ein
kleiner Vorraum entstanden war. Das heißt, die Gaskammer könnte eine Fläche von etwa 20 m
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gehabt haben.
Schwarzhuber gibt das Fassungsvermögen der Kammer mit
150 Personen an.
Die Angaben über die Gesamtzahl der Opfer schwanken auch. Mit den Vergasungen wurde
Ende Januar /
Anfang Februar 1945 begonnen, und die Morde setzten sich bis
Ende April fort.
Wahrscheinlich fand die letzte Vergasung am
22. oder 23. April 1945 statt (Das Lager
wurde am
30. April befreit).
Schwarzhuber gibt die Zahl der Opfer mit 2.300-2.400 an; andere, wie die
Forscher
Bernhard Strebel und
Anise Posel-Vinay,
schätzen die Zahl auf 5.000-6.000.
Möglicherweise hat man mit den Vergasungen angefangen, um kranke und marschunfähige Häftlinge
rechtzeitig vor einer Evakuierung des Lagers "aus dem Weg zu räumen".
Schwarzhubers
Angabe, die Vergasungen hätten
Ende Februar angefangen, sind eindeutig falsch.
Es gibt Tagebucheintragungen
von Häftlingen, die sich ohne Zweifel auf
Anfang und Mitte Februar beziehen.
Außerdem geben einige
von den wenigen erhaltenen Lagerdokumenten an, dass schon
Mitte Februar Listen
zusammengestellt worden waren,
aus denen eindeutig hervorging, dass die Betreffenden "ins Gas gingen".
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Blick vom Platz der Gaskammer auf das Krematorium |
Die selektierten Frauen kamen hauptsächlich aus dem etwa 1,5 km östlich des Hauptlagers gelegenen sogenannten
"Jugendschutzlager Uckermark“. Einen Teil dieses Lagers hatte die SS im
Januar 1945 für
kranke, arbeitsunfähige und
ältere Häftlinge aus Ravensbrück abgezweigt. Möglicherweise ist dieses Verfahren darauf
zurückzuführen, dass der Lagerkommandant
Suhren schon im
Herbst von
Himmler den Befehl bekommen hatte,
2.000 Häftlinge monatlich sterben zu lassen, und zwar rückwirkend für 6 Monate. Die Frauen wurden in
Baracken untergebracht, in denen teilweise die Bettgestelle fehlten und wo es weder Wasser noch Latrinen gab.
Da die Frauen auf "halbe Rationen" gesetzt worden waren und man ihnen Mäntel und Decken abgenommen hatte,
und weil außerdem stundenlange, zwecklose Appelle eingeführt worden waren, wird mit Recht von einer "Todeszone"
gesprochen. Leiterin war
Ruth Closius-Neudeck, die vor Gericht offen
über das Lager und die Vergasungen ausgesagt hat.
Nachmittags wurden Selektionen durchgeführt, um die schwächsten Frauen auszusondern. Diese wurden dann in die
sogenannte "Turnhalle" gebracht, wo sie gegen Abend von der SS mit LKWs abgeholt und zum Stammlager gebracht wurden.
Um Panik und Chaos vorzubeugen, hatte man den Frauen mitgeteilt, dass sie in ein anderes und besseres Lager verlegt
werden sollten. Es wurden Listen zusammengestellt, aus denen hervorgehen sollte, dass die betreffenden Frauen ins
Lager "Mittwerda" überstellt werden sollten. Diese Listen umfassten etwa 4.000-5.000 Namen. Das Lager
"Mittwerda" gab es jedoch nicht. Alles war nur eine Tarnung für Mord. Auch aus Außenlagern und dem
Männerlager wurden Opfer in die Gaskammer gebracht und ermordet.
Die letzten Vergasungen fanden zu einem Zeitpunkt statt, als das schwedische Rote Kreuz im Lager war, um Transporte mit
entkräfteten Gefangenen zusammenzustellen und sie anschließend über Dänemark (das noch besetzt war) nach
Schweden in die Freiheit zu bringen.
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Otto Moll * |
Am Anfang hatte man die Frauen erschossen. Weil dies aber zu zeitraubend und auffallend war, ging man
Ende Januar
zur Vergasung der Opfer über. Sowohl die Erschießungen als auch die Vergasungen wurden von
SS-Hauptscharführer
Otto Moll geleitet.
Moll, der sich bei den Vergasungen in
Auschwitz-Birkenau unter anderem als Leiter der Krematorien hervorgetan
hatte, hat somit seine Gaskammern-Karriere in Ravensbrück abgeschlossen.
Auch nach der Einrichtung der Gaskammer wurden die Erschießungen in Ravensbrück fortgesetzt. Die
Bedienungsmannschaft der Gaskammer waren SS-Männer mit
Auschwitz-Erfahrung,
so z.B. ihr Chef,
Schwarzhuber, der in
Auschwitz-Birkenau auch
die Stellung als Schutzhaftlagerführer des Männerlagers in
Birkenau
bekleidet hatte.
Im ersten Ravenbrück-Prozess in
Hamburg (
1946)
machte
Schwarzhuber u.a. folgende Aussage:
“Ich war bei einer Vergasung anwesend. Es wurden immer 150 Frauen auf einmal in die Gaskammer gezwungen.
Hauptscharführer
Moll gab den Frauen den Befehl, sich auszukleiden und
teilte ihnen mit,
dass sie eine Entlausung mitmachen müssten. Daraufhin wurden sie in den Gasraum geführt und die
Tür verschlossen. Ein männlicher Häftling, mit einer Gasmaske versehen, kletterte auf das Dach
und warf oben durch eine kleine Öffnung, die er danach sofort wieder zumachte, eine Gas-Büchse in den Raum.
Ich hörte Stöhnen und Wimmern im Raum. Nach zwei bis drei Minuten wurde es still im Raum...“
Die Versuche seitens der SS, die Vergasungen geheim zu halten, gelangen nicht. So konnte ein weiblicher
deutscher Häftling heimlich in ihr Tagebuch (schon unter dem Datum
9. Februar 1945)
notieren:
"Etwas Entsetzliches: Die gestern auf Transport gingen, wurden in die Gaskammern geschickt...“
Vor Gericht sagte die Oberaufseherin des Lagers "Uckermark",
Closius-Neudeck,
im
Dezember 1947 u.a. aus:
"Wenn die Lastautos voll beladen waren, fuhren die beiden SS-Leute und ich Richtung Krematorium. Dort angekommen,
hatten wir die Häftlinge in einem Geräteschuppen abzuladen. In meiner Funktion als Oberaufseherin
wies ich sie an, sich vollständig zu entkleiden (...) Wenn alle Frauen ausgezogen waren, brachte irgendein
im weissen Kittel als Arzt verkleideter SS-Mann die Frauen, eine nach der anderen, in einen anderen
Geräteschuppen. War dieser Schuppen voll, wurde er zugesperrt. Nun erhielten zwei männliche
Häftlinge die Anweisung, mittels einer Leiter auf das Dach zu klettern.
Ich habe gesehen, wie sie dann dort irgend etwas abwarfen. Danach wurde noch die Öffnung auf dem Dach zugemacht.
Sobald die beiden Häftlinge wieder herunter gestiegen waren, wurden die Motoren der Lastwagen angelassen, damit man
die Schreie nicht hören konnte."
In der Nacht auf den
23. April 1945 wurde die Baracke nach Aussage einiger Zeugen von
der SS gesprengt. Folglich
gab es bei der Befreiung, wenige Tage später, keine wesentlichen Spuren mehr. Andere Zeugen sagten jedoch aus,
sie hätten nach der Befreiung die Baracke noch gesehen.
Ob die Fundamente noch vorhanden sind, wissen wir nicht: Die Stelle, wo die Vergasungs-Baracke stand, wurde
nämlich bei der Errichtung der ersten DDR-Gedenkstätte Teil der Gräberfelder vor der Lagermauer.
Eine archäologische Untersuchung zur Ermittlung des genauen Standortes der ehemaligen Gaskammer würde
heute die Gräber stören. Ein positives Fundergebnis wäre obendrein nicht sicher vorherzusagen.
Schwarzhuber, Moll, Closius-Neudeck, Pohl, Höss und der
ehemalige Kommandant
Suhren wurden letztlich zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Fotos:
Auschwitz Museum
*
Quellen:
Strebel, Berhard:
Das KZ Ravensbrück. Geschichte eines Lagerkomplexes. Paderborn 2003
Tillion, Germaine:
Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Lüneburg. Zu Klampen 1998
Kogon,Langbein,Rückerl:
Nationalsozialistische Massentötungen durch Giftgas. Frankfurt a.M. 1983
Plewe,Reinhard/ Köhler, Jan Thomas:
Baugeschichte Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Berlin 2000
Müller, Charlotte:
Die Klempnerkolonne in Ravensbrück. Dietz Verlag Berlin 1983
Gutmann, Israel/ Jäckel, Berhard u.a.:
Enzyklopädie des Holocaust. München 1998
Philipp, Grit:
Kalendarium der Ereignisse im Frauenkonzentrationslager Ravenbrück 1939-1945. Berlin 1999
Schäuml;fer, Silke:
Zum Selbstverst/auml;ndnis von Frauen im Konzentrationslager. Das Lager Ravensbrück.
Dissertation, TU Berlin, 2002
(
www.edocs.tu-berlin.de/diss/)
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