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Die Gaskammer in Ravensbrück


Letztes Update 26. Juni 2006





Lagerkarte
Lagerkarte
Das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück bei Fürstenberg (ca. 90 km nördlich von Berlin) wurde 1939 gegründet. Der gesamte Lagerkomplex umfasste auch ein kleineres Männerlager,und das sogenannte "Jugendschutzlager Uckermark" sowie 28 Außenlager.
Insgesamt sind etwa 28.000 Menschen im Lagerkomplex Ravensbrück umgekommen.

Die geplante Gaskammer "Neue Wäscherei“

Neue Wäscherei
Die "Neue Wäscherei"
Auf dem Gelände der heutigen Gedenkstätte gibt es ein Gebäude, das aller Wahrscheinlichkeit nach als Gaskammer (mit zwei Kammern) errichtet worden ist. Es handelt sich dabei um die sogenannte "Neue Wäscherei". Der Bau dieses Gebäudes, das direkt außerhalb der nördlichen Lagermauer auf Höhe des "Reviers" lag, begann im Oktober 1944. Der Bau hat sich jedoch vermutlich wegen Materialmangel verzögert, so dass die Lagerleitung angesichts der Frontlage Ende Januar / Anfang Februar 1945 eine provisorische Lösung finden musste. Es ist auch möglich, dass die Häftlinge, die die Bauarbeiten ausführen mussten, absichtlich die Fertigstellung verzögert haben, so dass die Anlage nie in Betrieb genommen werden konnte.
Neue Wäscherei
Die "Neue Wäscherei"
Es ist anzunehmen, dass der ehemalige Kommandant von Auschwitz, Rudolf Höss, in seiner Eigenschaft als Chef des Amtes DI (Zentralbüro der Konzentrationslagerverwaltung) im WVHA (Wirtschaftsverwaltungshauptamt), zusammen mit seinem Vorgesetzten Oswald Pohl und dem Lagerkommandanten Fritz Suhren den Bau Ende Februar / Mitte März inspiziert hat. Dies wird vor allem von dem Zeugen Walter Jahn, der seit 1941 im Männerlager inhaftiert war, bezeugt. Jahn hatte als Elektriker die Leitungen in der "Neuen Wäscherei" verlegen müssen und hat in Nürnberg gegen Pohl ausgesagt. In Verbindung damit hat er eine Skizze der Gaskammern gefertigt.

Es gibt auch Aussagen von recht glaubwürdigen Zeugen über den Einsatz mobiler Gaskammern oder der Einrichtung einer Gaskammer in einem umgebauten holländischen Eisenbahnwaggon, der in einem Kiefernwald hinter dem sogenannten Siemenslager aufgestellt war. Diese Aussagen werden aber von einigen Forschern als Gerüchte abgetan bzw. begründet angezweifelt.
Bemerkenswert ist, dass Angeklagte bei den Ravensbrücker Prozessen (insgesamt 7 Prozesse) offen von einer Gaskammer "in der ehemaligen Baracke" gesprochen haben, nie jedoch eine andere Gaskammer erwähnt haben.

Die Gaskammer in der Baracke

Gaskammerbaracke
Krematorium und Ort
der Gaskammerbaracke
Da es weder Bauzeichnungen noch Gebäudereste wie z.B. Fundamente gibt, stützen sich alle Kenntnisse über die eigentliche Gaskammer von Ravenbrück auf Aussagen von Zeugen, die sich alle (SS-Männer und ehemalige Häftlinge) hinsichtlich der Art und Platzierung der Gaskammer einig waren.
Die einwandfrei bewiesene Gaskammer wurde in einer Materialbaracke des Malerkommandos, die sich in unmittelbarer Nähe des Krematoriums befand, eingerichtet. Die Baracke wurde geleert und anschließend abgedichtet. Das Gas (Zyklon B) wurde durch eine Öffnung in der Decke in die Kammer geworfen. Einige Zeugen gaben an, dass dies von Häftlingen gemacht wurde. Dies kann jedoch angezweifelt werden, weil die SS normalerweise das Einschütten des Giftgases stets selbst vorgenommen hat.
Nach Zeugenaussagen konnte eine Wand der Gaskammer herunter geklappt werden, wodurch das Herausziehen der Leichen und die Entlüftung vereinfacht wurde. Andere Zeugen sprechen von einer zweiflügeligen Tür. Um das Verbrechen zu verbergen, wurde ein 2 m hoher Zaun um die Baracke errichtet.
Wenige Meter von der Baracke entfernt befand sich ein kleiner Schuppen, in dem sich die Opfer auskleiden mussten, bevor sie von der SS in die Gaskammer getrieben wurden. Ob SS-Ärzte bei den Vergasungen anwesend waren, ist unklar.
Die Häftlinge, die in der Gaskammer arbeiten mussten, kamen alle aus dem kleineren Männerlager und wurden am 25. April 1945 als "Geheimnisträger" kurz vor der Evakuierung des Lagers im Bunker von der SS umgebracht.

Gaskammer #2
Mahnmal für die
Gaskammerbaracke
Der genaue Vorgang der Vergasungen lässt sich nicht mehr mit hundertprozentiger Sicherheit rekonstruieren; dazu gibt es zu viele kleinere Abweichungen in den Zeugenaussagen.
Unklarheit herrscht auch über die Größe der Gaskammer. Zeugen wie der Schutzhaftlagerführer SS-Hauptsturmführer Johann Schwarzhuber, der von seiner bisherigen Arbeitstelle Auschwitz-Birkenau einschlägige Erfahrungen hatte, gab in seiner Aussage vor Gericht die Maße mit 9 x 4,50 m an. Ehemalige Häftlinge sprachen jedoch von einer Größe von 4 x 6 m. Die Abweichung kann daher kommen, dass eine Zwischenwand eingebaut worden ist, wodurch ein kleiner Vorraum entstanden war. Das heißt, die Gaskammer könnte eine Fläche von etwa 20 m2 gehabt haben. Schwarzhuber gibt das Fassungsvermögen der Kammer mit 150 Personen an.
Die Angaben über die Gesamtzahl der Opfer schwanken auch. Mit den Vergasungen wurde Ende Januar / Anfang Februar 1945 begonnen, und die Morde setzten sich bis Ende April fort. Wahrscheinlich fand die letzte Vergasung am 22. oder 23. April 1945 statt (Das Lager wurde am 30. April befreit). Schwarzhuber gibt die Zahl der Opfer mit 2.300-2.400 an; andere, wie die Forscher Bernhard Strebel und Anise Posel-Vinay, schätzen die Zahl auf 5.000-6.000.

Möglicherweise hat man mit den Vergasungen angefangen, um kranke und marschunfähige Häftlinge rechtzeitig vor einer Evakuierung des Lagers "aus dem Weg zu räumen". Schwarzhubers Angabe, die Vergasungen hätten Ende Februar angefangen, sind eindeutig falsch. Es gibt Tagebucheintragungen von Häftlingen, die sich ohne Zweifel auf Anfang und Mitte Februar beziehen. Außerdem geben einige von den wenigen erhaltenen Lagerdokumenten an, dass schon Mitte Februar Listen zusammengestellt worden waren, aus denen eindeutig hervorging, dass die Betreffenden "ins Gas gingen".

Blick vom Platz der Gaskammer auf das Krematorium
Blick vom Platz der Gaskammer
auf das Krematorium
Die selektierten Frauen kamen hauptsächlich aus dem etwa 1,5 km östlich des Hauptlagers gelegenen sogenannten "Jugendschutzlager Uckermark“. Einen Teil dieses Lagers hatte die SS im Januar 1945 für kranke, arbeitsunfähige und ältere Häftlinge aus Ravensbrück abgezweigt. Möglicherweise ist dieses Verfahren darauf zurückzuführen, dass der Lagerkommandant Suhren schon im Herbst von Himmler den Befehl bekommen hatte, 2.000 Häftlinge monatlich sterben zu lassen, und zwar rückwirkend für 6 Monate. Die Frauen wurden in Baracken untergebracht, in denen teilweise die Bettgestelle fehlten und wo es weder Wasser noch Latrinen gab.
Da die Frauen auf "halbe Rationen" gesetzt worden waren und man ihnen Mäntel und Decken abgenommen hatte, und weil außerdem stundenlange, zwecklose Appelle eingeführt worden waren, wird mit Recht von einer "Todeszone" gesprochen. Leiterin war Ruth Closius-Neudeck, die vor Gericht offen über das Lager und die Vergasungen ausgesagt hat.
Nachmittags wurden Selektionen durchgeführt, um die schwächsten Frauen auszusondern. Diese wurden dann in die sogenannte "Turnhalle" gebracht, wo sie gegen Abend von der SS mit LKWs abgeholt und zum Stammlager gebracht wurden. Um Panik und Chaos vorzubeugen, hatte man den Frauen mitgeteilt, dass sie in ein anderes und besseres Lager verlegt werden sollten. Es wurden Listen zusammengestellt, aus denen hervorgehen sollte, dass die betreffenden Frauen ins Lager "Mittwerda" überstellt werden sollten. Diese Listen umfassten etwa 4.000-5.000 Namen. Das Lager "Mittwerda" gab es jedoch nicht. Alles war nur eine Tarnung für Mord. Auch aus Außenlagern und dem Männerlager wurden Opfer in die Gaskammer gebracht und ermordet.

Die letzten Vergasungen fanden zu einem Zeitpunkt statt, als das schwedische Rote Kreuz im Lager war, um Transporte mit entkräfteten Gefangenen zusammenzustellen und sie anschließend über Dänemark (das noch besetzt war) nach Schweden in die Freiheit zu bringen.

Otto Moll *
Am Anfang hatte man die Frauen erschossen. Weil dies aber zu zeitraubend und auffallend war, ging man Ende Januar zur Vergasung der Opfer über. Sowohl die Erschießungen als auch die Vergasungen wurden von SS-Hauptscharführer Otto Moll geleitet. Moll, der sich bei den Vergasungen in Auschwitz-Birkenau unter anderem als Leiter der Krematorien hervorgetan hatte, hat somit seine Gaskammern-Karriere in Ravensbrück abgeschlossen.
Auch nach der Einrichtung der Gaskammer wurden die Erschießungen in Ravensbrück fortgesetzt. Die Bedienungsmannschaft der Gaskammer waren SS-Männer mit Auschwitz-Erfahrung, so z.B. ihr Chef, Schwarzhuber, der in Auschwitz-Birkenau auch die Stellung als Schutzhaftlagerführer des Männerlagers in Birkenau bekleidet hatte.
Im ersten Ravenbrück-Prozess in Hamburg (1946) machte Schwarzhuber u.a. folgende Aussage:
“Ich war bei einer Vergasung anwesend. Es wurden immer 150 Frauen auf einmal in die Gaskammer gezwungen. Hauptscharführer Moll gab den Frauen den Befehl, sich auszukleiden und teilte ihnen mit, dass sie eine Entlausung mitmachen müssten. Daraufhin wurden sie in den Gasraum geführt und die Tür verschlossen. Ein männlicher Häftling, mit einer Gasmaske versehen, kletterte auf das Dach und warf oben durch eine kleine Öffnung, die er danach sofort wieder zumachte, eine Gas-Büchse in den Raum. Ich hörte Stöhnen und Wimmern im Raum. Nach zwei bis drei Minuten wurde es still im Raum...“

Die Versuche seitens der SS, die Vergasungen geheim zu halten, gelangen nicht. So konnte ein weiblicher deutscher Häftling heimlich in ihr Tagebuch (schon unter dem Datum 9. Februar 1945) notieren:
"Etwas Entsetzliches: Die gestern auf Transport gingen, wurden in die Gaskammern geschickt...“

Vor Gericht sagte die Oberaufseherin des Lagers "Uckermark", Closius-Neudeck, im Dezember 1947 u.a. aus:
"Wenn die Lastautos voll beladen waren, fuhren die beiden SS-Leute und ich Richtung Krematorium. Dort angekommen, hatten wir die Häftlinge in einem Geräteschuppen abzuladen. In meiner Funktion als Oberaufseherin wies ich sie an, sich vollständig zu entkleiden (...) Wenn alle Frauen ausgezogen waren, brachte irgendein im weissen Kittel als Arzt verkleideter SS-Mann die Frauen, eine nach der anderen, in einen anderen Geräteschuppen. War dieser Schuppen voll, wurde er zugesperrt. Nun erhielten zwei männliche Häftlinge die Anweisung, mittels einer Leiter auf das Dach zu klettern.
Ich habe gesehen, wie sie dann dort irgend etwas abwarfen. Danach wurde noch die Öffnung auf dem Dach zugemacht. Sobald die beiden Häftlinge wieder herunter gestiegen waren, wurden die Motoren der Lastwagen angelassen, damit man die Schreie nicht hören konnte."

In der Nacht auf den 23. April 1945 wurde die Baracke nach Aussage einiger Zeugen von der SS gesprengt. Folglich gab es bei der Befreiung, wenige Tage später, keine wesentlichen Spuren mehr. Andere Zeugen sagten jedoch aus, sie hätten nach der Befreiung die Baracke noch gesehen.

Ob die Fundamente noch vorhanden sind, wissen wir nicht: Die Stelle, wo die Vergasungs-Baracke stand, wurde nämlich bei der Errichtung der ersten DDR-Gedenkstätte Teil der Gräberfelder vor der Lagermauer. Eine archäologische Untersuchung zur Ermittlung des genauen Standortes der ehemaligen Gaskammer würde heute die Gräber stören. Ein positives Fundergebnis wäre obendrein nicht sicher vorherzusagen.

Schwarzhuber, Moll, Closius-Neudeck, Pohl, Höss und der ehemalige Kommandant Suhren wurden letztlich zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Fotos:
Auschwitz Museum *

Quellen:
Strebel, Berhard: Das KZ Ravensbrück. Geschichte eines Lagerkomplexes. Paderborn 2003
Tillion, Germaine: Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Lüneburg. Zu Klampen 1998
Kogon,Langbein,Rückerl: Nationalsozialistische Massentötungen durch Giftgas. Frankfurt a.M. 1983
Plewe,Reinhard/ Köhler, Jan Thomas: Baugeschichte Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Berlin 2000
Müller, Charlotte: Die Klempnerkolonne in Ravensbrück. Dietz Verlag Berlin 1983
Gutmann, Israel/ Jäckel, Berhard u.a.: Enzyklopädie des Holocaust. München 1998
Philipp, Grit: Kalendarium der Ereignisse im Frauenkonzentrationslager Ravenbrück 1939-1945. Berlin 1999
Schäuml;fer, Silke: Zum Selbstverst/auml;ndnis von Frauen im Konzentrationslager. Das Lager Ravensbrück. Dissertation, TU Berlin, 2002 (www.edocs.tu-berlin.de/diss/)

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