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Übersicht |
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Das Krematorium "Station Z" * |
Das sogenannte "Musterlager" Sachsenhausen, wenige Kilometer nördlich von
Berlin, war schon im
Herbst 1941
Schauplatz einiger Vergasungen und zwar in Verbindung mit der Erforschung der Gaswagen.
Von
Dezember 1941 bis Mai 1942 wurde ein Krematorium gebaut,
in dem dann später eine stationäre Gaskammer eingerichtet wurde.
Die Gaskammer war Teil der sogenannten
"
Station Z", die im Industriehof am nordwestlichen
Rand des Lagers lag. Der Name "Station Z“ leitete sich vom Grundplan des Lagers ab: Da der Turm
über dem Eingang mit dem Buchstaben "A“ bezeichnet war, machte die SS einen makaberen
Witz daraus, das letzte Gebäude (das Krematorium) mit dem letzten Buchstaben des
Alphabets zu bezeichnen.
Das L-förmige, einstöckige Gebäude umfasste vier fest eingebaute Krematoriumsöfen,
eine Genickschussanlage und später eine kleine Gaskammer. In den vier Öfen konnten innerhalb von 24 Stunden
etwa 600 Leichen verbrannt werden. Obwohl das Gebäude außerhalb des Lagers lag und vom
restlichen Lager durch eine hohe Mauer getrennt war, war der Ort des Krematoriums durch seinen
Schornstein deutlich erkennbar.
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Reste der Gaskammer |
1943 wurde die sehr kleine Gaskammer eingerichtet. Der Kommandant
Anton Kaindl sagte aus, dass er
1942 von
Richard Glücks (Inspekteur der KZs) einen Befehl zum Bau
der Gaskammer bekommen hatte und
dass er die Kammer im
Herbst 1943 einrichten ließ.
Paul Sakowski sagte jedoch aus, dass es die Kammer schon
1942 gegeben hat.
Der Raum war gekachelt und mit echten Duschen versehen. Neben der Tür gab es ein
Ventilationssystem zum Einführen des flüssigen Giftgases Zyklon B, was in kleinen
Flaschen geliefert und in einem verschlossenen Wandschrank in dem Erdbunker bei der Schießgrube
neben dem Gebäude aufbewahrt wurde. Mit einem Dorn wurde eine Flasche zerdrückt und
damit das Gas freigesetzt, wonach es zusammen mit warmer Luft (um die Wirkung zu beschleunigen) in
die Kammer geleitet wurde.
Die Kammer, die mit 6 Duschköpfen als Duschraum getarnt war, hatte die Maße von
2,5 x 3,5 m. Unter Anwendung von Gewalt konnten 25 - 30 Personen in die Kammer gepresst werden.
Die Opfer mussten sich in einem kleinen Umkleideraum entkleiden und wurden daraufhin in die Gaskammer
geführt. Neben der Tür befand sich ein verglastes Guckloch. Nachdem das Gas eingeführt
worden war, dauerte es wenige Minuten bis alle Opfer tot waren. Darauf schaltete man die Ventilatoren ein,
und nach einiger Zeit wurden die Leichen vom Krematoriumskommando heraus gezogen.
Sehr viele Personen wurden nach Sachsenhausen überstellt, um hier exekutiert zu werden. In den
meisten Fällen wurden sie erschossen oder erhängt, in wenigen Fällen wurden sie vergast.
Ein solcher Fall beschäftigte sowohl das Landgericht
Verden
als auch das Landgericht
Düsseldorf.
Der ehemalige Adjutant des Kommandanten
Kaindl, SS-Untersturmführer
Heinrich Otto Wessel, stand in
Verden
vor Gericht, wo der Gasmord an 8 - 10 Zivilarbeitern und bis zu 35 Ostarbeiterinnen verhandelt wurde.
Diese Morde wurden auch vom Landgericht
Düsseldorf
1960 behandelt im Prozess gegen SS-Obersturmführer
August Höhn*
und
Otto Wilhelm Böhme. Die Zivilarbeiter wurden im
November 1944 vergast, weil sie nach einem Luftangriff
geplündert haben sollen.
Ende 1944 oder Anfang 1945 wurden die
Ostarbeiterinnnen ermordet. Der Grund hierfür ist unbekannt.
Es sollen auch kleinere Vergasungen vorgekommen sein, die allein von der SS durchgeführt wurden.
Letzte Vergasungen fanden vor der Evakuierung des Lagers statt. Wie im Fall
Ravensbrück wurde auch hier das sogenannte "Moll-Kommando“ aktiv.
Ende 1944 gab der Kommandant
Kaindl
dem aus
Auschwitz erfahrenen
Otto Moll
den Befehl, marschunfähige Häftlige zu töten.
Moll hatte früher in Sachsenhausen gedient, u.a. als
Kommandoführer in der SS-Gärtnerei.
1941
kam er zum Kommandanturstab
Auschwitz.
Wie in
Ravensbrück wurden die kranken Häftlinge in
Sachsenhausen erschossen oder (in wenigeren Fällen) vergast. Wieviele Häftlinge
Opfer dieser Morde wurden, ist unbekannt. Zeugen sprechen jedoch von bis zu 4.000 Ermordeten.
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Vorführung des Gashahnes * |
In Verbindung mit der späteren Evakuierung des Lagers wurden alle technischen Anlagen der
Gaskammer demontiert, sie wurden jedoch von den Sowjets auf dem Gelände des Industriehofes
gefunden und für Dokumentationszwecke wieder eingebaut. Dies geschah in Verbindung mit den
Vorbereitungen zum Prozess im Rathaus von
Pankow. In dem Film,
der viele Jahre lang in der Gedenkstätte gezeigt wurde, demonstriert der Angeklagte ehemalige
Häftling und Lagerhenker
Sakowski*
die Einrichtung der Gaszufuhr.
Das Gebäude, das bei der Befreiung des Lagers vollständig erhalten war, wurde von der
Volkspolizei
1952/53 gesprengt. Erst als man
Anfang der 60er Jahre die Mahn- und Gedenkstätte einrichten wollte,
wurden die Fundamente und die Reste der Öfen gesichert. Die sehr problematische Gestaltung
dieses Teils der Gedenkstätte durch die DDR-Behörden ist in den letzten Jahren durch
einen völlig neuen und würdevolleren Rahmen ersetzt worden.
Wieviele Menschen in der Gaskammer von Sachsenhausen umgebracht wurden, wissen wir nicht genau.
Es ist auch unklar, wie oft die Kammer benutzt wurde.
Sakowski gab die Zahl von etwa 35 Vergasungen an.
Fotos:
Gedenkstätte Sachsenhausen
*
USHMM *
GFH *
Quellen:
Sachsenhausen. Dokumente, Aussagen, Forschungsergebnisse und Erlebnisse über
das ehemalige Konzentrationslager Sachsenhausen. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1986
Kogon et al.:
Nationalsozialistische Massentötungen durch Giftgas. Frankfurt/M. 1986
Morsch, Günter (Hrsg.):
Mord und Massenmord im Konzentrationslager Sachsenhausen 1936-1945. Berlin 2005
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