Nachdem der erste Kommandant von Auschwitz-Birkenau, Rudolf Höß,
beim Prozess gegen die hauptangeklagten Kriegsverbrecher in Nürnberg
im Frühjahr 1946 als Zeuge für Kaltenbrunner ausgesagt hatte, wurde
er am 25. Mai an Polen ausgeliefert.
Der Prozess fand in Warschau statt, aber während der Voruntersuchungen
war Höß in Krakau inhaftiert.
Im Untersuchungsgefängnis machte er insgesamt 34 Aufzeichnungen zu verschiedenen
Themen, u.a. über seine Vorgesetzten, seine Mitarbeiter in Auschwitz-Birkenau und
über die Verhältnisse in den Konzentrationslagern (diese Aufzeichnungen umfassen
ca. 120 beidseitig handgeschriebene Blätter).
Die Aufzeichnungen entstanden während der Voruntersuchung von Oktober 1946 bis
Januar 1947. Außerdem machte Höß gründliche Aufzeichnungen
über sein Leben unter dem Titel "Meine Psyche. Werden, Leben und Erleben“. In diesem
Text verfasste er eine Darstellung seines Lebens von der Kindheit bis zur Gefangennahme durch
die Engländer. Diese Arbeit machte Höß in der Pause zwischen der
Voruntersuchung und dem Beginn der Hauptverhandlung am 11.3.1947.
Wahrscheinlich hat Höß seine Erinnerungen durch Anregung des polnischen Kriminologen
und Psychiaters Stanislaw Batavia niedergeschrieben.
Batavia führte zahlreiche Gespräche mit Höß.
Die sogenannten Erinnerungen wurden 1951 zuerst in einer polnischen Zeitschrift publiziert, aber erst 1956 erschien
die erste Buchausgabe. In dieser Ausgabe waren sowohl seine Erinnerungen als auch die übrigen
Texte veröffentlicht. 1958 erschienen Höß’ Erinnerungen auch im Westen.
Die maßgebliche Ausgabe von Martin Broszat (Institut für
Zeitgeschichte in München), die von fast allen späteren
Herausgebern benutzt wurde, brachte allerdings nicht Höß’ Portraitskizzen. Deshalb sind
diese kaum in westlichen Publikationen zu finden. Einige Portraitskizzen wurden in der englischen
Ausgabe von 1959 veröffentlicht, aber nicht alle.
Im Großen und Ganzen kann man annehmen, dass Höß sich bemühte
ehrlich zu sein. Seine subjektiven Gesichtspunkte und Haltungen kommen allerdings unweigerlich
zum Ausdruck. Dies zeigt sich deutlich in seinem
Portrait von Odilo Globocnik.
Höß’ Aufzeichnungen sind eine wichtige Quelle nicht nur zum Begreifen von
Auschwitz-Birkenau, sondern auch zum Verständnis der Mentalität
von Nazi-Größen.
Quellen:
Höß,Rudolf:
Kommandant in Auschwitz, udg. Therkel Stræde, København 2004
Deselaers, Manfred:
Und Sie hatten nie Gewissensbisse?, Leipzig 2001
© ARC 2006