ARC Main Page Aktion Reinhard

Jüdische Arbeitskommandos in den Vernichtungslagern

Letztes Update 1. Mai 2006





Jüdisches Arbeitskommando in Belzec
Bereits in der Anfangsphase der Vernichtungslager stellten die Nazis fest, dass man zum reibungslosen Ablauf der Vernichtungsarbeit ständige (d.h. erfahrene) Arbeitskommandos brauchte. Solange jüdische Spezialisten fit waren, durften sie einer bestimmten Aufgabe im Vernichtungsprozess dienen und am Leben bleiben. Willkürliche Morde an ihnen wurden eingeschränkt.

In Belzec, dem ersten Aktion Reinhard - Lager, entwickelte Kommandant Christian Wirth Richtlinien für die Vernichtung der Juden und der Behandlung der jüdischen Arbeitskommandos: Arbeitsunfähig gewordene Juden wurden exekutiert. Moshe Bahir, der im Mai/Juni 1942 in Sobibor in einem Judentransport aus Zamosc eintraf, schrieb:
Zu meinem großen Glück war ich Teil des zweiten Transportes, aus dem einige Leute als ständige Arbeiter ausgesucht wurden. Vorher wählte man 200 Männer aus jedem Transport aus, um die Habseligkeiten zu verladen. Sobald die Arbeit beendet war, erschossen sie sie. Ich war privilegiert, zu den ständigen Arbeitern des Lagers gezählt zu werden."

Jedes Arbeitskommando wurde von einem Kapo geleitet, der aus den Gefangenen ausgesucht wurde. Er war für die Arbeit der Gefangenen verantwortlich, und die Gefangenen hatten seine Anweisungen zu befolgen. Er trug eine gelbe Armbinde mit schwarzen Buchstaben "KAPO" und war mit einem Knüppel oder einer Peitsche ausgerüstet. Größere Arbeitskommandos waren unterteilt, und jede Teilgruppe wurde von einem Vorarbeiter geleitet, dessen schwarze Armbinde seinen Titel zeigte. Ein SS-Mann des Lagers beaufsichtigte jedes Arbeitskommando. In einigen Fällen unterstanden zwei bis drei Kommandos einem SS-Mann.

Bahnhofskommando
Bahnhofskommando
Diese Gruppe von 40 - 50 Gefangenen arbeiteten auf der Rampe. Ihre Aufgabe war es, die Güterwagen zu öffnen und den Deportierten die Befehle der SS-Männer mitzuteilen. Nachdem die Menschen die Waggons verlassen hatten, holten die Angehörigen des Bahnhofskommandos die Leichen der auf dem Transport verstorbenen Menschen aus den Wagen. In Treblinka brachten sie die Leichen und die Gehbehinderten ins "Lazarett" oder mit Loren in den Vernichtungsbereich. In Belzec trug man die Transportopfer auf Bahren nach einem speziellen Massengrab nahe der östlichen Lagergrenze. In allen Lagern mussten zwei oder drei Gefangene die Güterwagen säubern, und innerhalb von 10 - 15 Minuten war der gesamte Zug gereinigt. In Treblinka trug das Bahnhofskommando blaue Armbinden und war als "die Blauen" bekannt. Oscar Strawczynski schrieb über seine Ankunft in Treblinka:
"Wir rennen so schnell wie möglich hinaus, um den Peitschenhieben auf unsere Köpfe zu entgehen und finden uns auf einer langen, engen und überfüllten Rampe wieder. Alles bekannte Gesichter - Nachbarn und Bekannte. Der Staub ist so gewaltig, er verdunkelt das Sonnenlicht. Ein Geruch von verkohltem Fleisch raubt den Atem. Zufällig erhasche ich einen Blick auf die Berge von Kleidung, Schuhen, Bettzeug und alle möglichen Waren, die man über den Zaun sehen kann. Aber es ist keine Zeit um zu denken... Die dichte Masse von Menschen wird vorwärts geschubst und durch ein Tor gepresst. Zu dieser Zeit habe ich nur einen Gedanken - meine Liebsten in diesem Chaos nicht zu verlieren. Ich konnte meine Frau, zwei hübsche Kinder, Mutter und Vater zusammen halten. Ich weiß nicht, dass dies unsere letzten gemeinsamen Minuten sind, dass wir hinter dem Tor auseinander gerissen werden würden und wir uns nie wiedersehen würden...
In diesem großen Tumult bemerke ich nicht, dass die Arbeit auf der Rampe, wie Leute ordnen, das Gepäck ausladen, die Menge antreiben und zum Tor schieben, durch eine Abteilung von etwa dreißig jüdischen Männern erledigt wird, die blaue Armbinden tragen. Dies ist die Abteilung der "Blauen", die von einem Kapo Mayer kommandiert wird. Auf der Rampe sind auch SS-Männer, die ukrainischen Wachmänner von Treblinka.


Thomas Blatt schrieb dies über seinen Empfang durch das Bahnhofskommando in Sobibor:
Ich hörte Leute singen, und ich sprang hinunter, nach außen. Das Tor öffnete sich weit, und herein marschierte eine Gruppe von etwa 20 robusten Jungen. Sie trugen dunkelblaue Kittel und Fantasiemützen mit einem aufgestickten "B" in einem gelben Dreieck. Der Anführer hielt eine Peitsche und ließ ein scharfes Kommando in Deutsch ertönen: 'Abteilung - Halt!' Einige Schritte vorwärts und die Gruppe hielt an; mit dem nächsten Kommando verteilten sich alle.
Wenn ich sie nicht yiddisch hätte sprechen hören, hätte ich sie für deutsche Soldaten gehalten. Obwohl ich sie mit eigenen Augen gesehen hatte, konnte ich nicht glauben, dass sie wirklich Juden waren. Später fand ich heraus, dass das "B" für Bahnhofskommando stand, die Zugabteilung.
"

Transportkommando
Entkleidungsplatz
Diese Gruppe von etwa 40 Gefangenen waren auf dem Platz beschäftigt, auf dem sich die Opfer entkleiden mussten. Sie dirigierten die Opfer, gaben die Befehle der Deutschen zum Entkleiden weiter und verteilten Bänder zum Zusammenbinden der Schuhe, so dass die Schuhe leicht wieder verwendet werden konnten ohne sie aus tausenden von Schuhen heraussuchen zu müssen.
Die Arbeiter halfen beim Auskleiden kleiner Kinder und trugen die Kleidung und das Gepäck, das die Opfer zurück gelassen hatten, nach den Sortierplätzen oder den Lagerräumen. Sie brachten auch Kranke oder diejenigen, die zu schwach waren um den Weg nach den Gaskammern zu gehen, nach dem "Lazarett", wo die Opfer durch einen Schuss in den Hinterkopf ermordet wurden. In Treblinka war das "Lazarett" im Empfangsgebiet, in Sobibor in einer ehemaligen Kapelle im Vernichtungsbereich und in Belzec auch im Vernichtungsbereich, an der östlichen Lagergrenze.

Oscar Strawczynski schrieb über das Transportkommando in Treblinka:
Aber dort, auf dem kummervollen Transportplatz, ist keine Zeit für Tränen oder Gefühle. Ich habe kaum Zeit, um meiner Frau die vorsichtig versteckte Decke für die Kinder zu geben. Eine brutale Hand ergreift meine Schulter und ich werde zur anderen Seite des Platzes geschleudert. Ich kann es erreichen, bei meinem liebenswürdigen Vater zu bleiben. Der Platz ist voll mit Leuten. Auf einer Seite sind Frauen mit kleinen Kindern, auf der anderen Seite Männer, auf die Knie gezwungen. In der Mitte SS-Männer, Ukrainer mit Waffen in den Händen und eine Gruppe von etwa 40 Männern mit roten Armbinden. Dies sind Juden, die Abteilung der "Roten". Im Wortgebrauch in Treblinka wurden sie “Chevra Kedusha” genannt, die "Gesellschaft der letzten Sterbesakramente".
Kapo Yurek war ihr Anführer, ein Rikschafahrer aus Warschau, so korrupt und verdorben, dass ihm keine Tat zu schmutzig war. Dieses Scheusal würde nicht zögern, ein schon nacktes Mädchen auf ihrem Gang zum "Bad" beiseite zu nehmen, ihr die Rettung zu versprechen, ihr das Schlimmste anzutun und sie danach wieder in die Schlange zu stoßen. Er ist elegant angezogen, was für diesen Typ in Treblinka kein Problem ist. Er benutzt häufig seine Peitsche, mit besonderer Freude auf jüdischen Köpfen. So widerlich und korrupt wie er war, seine Sprache war noch schlimmer. Der Dialekt der warschauer Unterwelt war nichts Neues in Treblinka.
Es gab auf dem Gebiet große Künstler, aber niemand konnte Yurek übertreffen. Jedenfalls war er ein Angesehener der Aristokratie von Treblinka. Die meisten der "Roten" wurden aus der Unterwelt von Warschau rekrutiert und standen ihrem Kapo in nichts nach.
"

Goldjuden
Baracke zum letzten 
Einsammeln von Wertgegenständen am Schlauch
Diese Gruppe umfasste etwa 20 Männer, meist ehemalige Juweliere, Uhrmacher und Bankangestellte. Ihre Aufgabe war, Geld, Gold, Wertsachen, Devisen und Wertpapiere von den Deportierten einzusammeln und zu sortieren. Einige dieser Männer arbeiteten im Bereich des Entkleideplatzes, wo sie die Wertsachen von den Opfern einsammelten, die sich auf dem Weg in die Gaskammern befanden. Die Männer dieses Kommandos mussten auch entkleidete Frauen nach Wertgegenständen untersuchen bevor diese den Weg nach den Gaskammern antraten. Die Frauen mussten sich auf einen Tisch legen, auf dem dann ihre Körperöffnungen eingehend inspiziert wurden.
Ein Teil dieses Arbeitskommandos arbeitete auf dem Platz und in den "Sortierbaracken", wo die Habseligkeiten der Opfer sortiert und untersucht wurden. Sie sammelten die Wertsachen ein und bereiteten diese für den Versand vor. Diese "Goldjuden" wurden als besonders privilegiert angesehen, weil sie heimlich Wertsachen von beträchtlichem Wert abzweigen konnten, sogar im Lager. Die SS brauchte sie auch, um ihren eigenen Anteil des Reichtums abzuzweigen, der ständig durch das Lager ging. Samuel Willenberg schrieb über die "Goldjuden" in Treblinka:
"Die Gefangenen, die für das Einsammeln und Sortieren von Gold, Juwelen, Geld und anderen Wertgegenständen, die den Entkleideplatz erreichten, verantwortlich waren, waren als "Goldjuden" bekannt und trugen zur Unterscheidung gelbe Schulterbänder. Immer wanderten einige von ihnen über den Sortierplatz und sammelten alle Wertsachen ein, die wir in den Kleidungsstücken gefunden hatten. Die Goldjuden wurden als die Elite der Gefangenen angesehen; ihre Arbeit war relativ unauffällig, sie saßen in einer abgeschlossenen, warmen Hütte unter der Aufsicht von SS-Mann Franz Suchomel, einem Sudetendeutschen, der gut tschechisch sprach. Suchomel suchte normalerweise tschechische Juden aus Terezin (Theresienstadt) für seine Abteilung aus.
Normale Gefangene hatten keinen Zutritt zu der Hütte der Goldjuden. Diese waren besser angezogen als die übrigen Gefangenen, trugen elegante Jacken, bunte Halstücher und Lederhandschuhe. Sie sahen mehr nach Bankangestellten aus als nach Gefangenen, besonders wenn sie ihre Aktentaschen trugen, in denen sie die Wertsachen transportierten, die in der Kleidung von gerade ermordeten Leuten gefunden wurden.
"

Friseure
Angehörige dieses Kommandos schnitten den Frauen die Haare ab, bevor diese den Weg in die Gaskammern antraten. Es waren etwa 20 Männer, meistens ausgebildete Friseure. In Sobibor war der "Friseursalon" in einer speziellen Baracke untergebracht, in der Mitte des "Schlauches". In Belzec in einer Baracke in der Nähe der Gaskammern. In Treblinka fand das Haareschneiden anfangs in den Gaskammern statt, dann in einer Baracke am Anfang des "Schlauches", wo sich die Frauen zu entkleiden hatten. Der "Friseursalon" befand sich am Ende der Baracke, durch eine Wand vom restlichen Teil der Baracke abgetrennt.

Abraham Bomba schrieb über das Friseurkommando in Treblinka:
Dies ereignete sich, nachdem ich etwa vier Wochen in Treblinka war. Es war am Morgen, etwa 10 Uhr, als ein Transport in Treblinka eintraf und die Frauen in die Gaskammern gingen. Sie suchten einige Leute aus und fragten, wer Friseur sei und wer kein Friseur sei. Ich war seit einigen Jahren Friseur und einige von ihnen kannten mich - Leute aus Czestochowa und anderen Orten. So, natürlich, wählten sie mich aus und ich suchte noch einige andere Friseure aus, die ich kannte, und wir kamen zusammen.
Wir arbeiteten etwa eine Woche oder 10 Tage innerhalb der Gaskammern. Danach entschieden sie, dass wir die Haare in der Entkleidebaracke schneiden sollten. Es war kein großer Raum, etwa 12 Fuß im Quadrat. Wir warteten da, bis ein Transport hereinkam. Frauen mit Kindern wurden herein gestoßen. Wir, die Friseure, fingen an, ihre Haare abzuschneiden, und ich würde sagen, dass alle schon wussten, was ihnen bevorstand. Wir versuchten, das Beste daraus zu machen - so menschlich wie möglich.
Wir schnitten die Haare mit Scheren und Kämmen, ohne Haarschneidemaschinen. Wie ein Herrenhaarschnitt würde ich sagen. Da gab es keine Spiegel, da gab es nur Bänke - keine Stühle, nur Bänke - wo wir arbeiteten. Etwa 16 oder 17 Friseure, und wir hatten da eine Menge Frauen. Jeder Haarschnitt dauerte etwa zwei Minuten, nicht mehr, weil da eine Menge Frauen hinein kamen zum Haareschneiden. Wir waren viele professionelle Friseure, und wir haben das mit vielen Bewegungen ausgeübt, weil wir keine Zeit verschwenden wollten.
"

Thomas Blatt schrieb über das Friseurkommando in at Sobibor:
Als wir unsere Arbeit in dem Sektor vollbracht hatten, wählte SS-Oberscharführer Karl Frenzel zufällig vier Gefangene aus, mich eingeschlossen, und brachte uns zu der Haarschneide-Baracke, weniger als 20 Fuß entfernt von den Gaskammern. Innen waren einfache, hölzerne Stühle. Josef Wolf, ein kleiner, dunkelhaariger SS-Mann in mittlerem Alter, stand in der Mitte des Raumes. Ich erhielt eine große Schere und sollte warten. Die Frauen kamen herein. Ich wusste nicht, was zu tun sei.
'Schneide nur schnell, in Bündeln,' sagte ein Kamerad zu mir, 'es muss nicht nahe am Kopf sein.' Ich war schrecklich scheu. Ich hatte niemals vorher eine nackte Frau gesehen. Wie alle 15jährigen, wollte ich, aber ich war verlegen wegen der nackten und erniedrigten Frauen. Ich versuchte, sie nicht direkt anzuschauen, und sie blickten hinunter und versuchten, sich selbst zu bedecken.
Nicht alle Frauen benahmen sich gleich. Eine Frau widersetzte sich, weigerte sich, sich zu bewegen. Als ein Nazi sie mit der Peitsche schlug, griff sie ihn mit ihren Fäusten und Fingernägeln an, doch die deutsche Kugel war schneller und tötete sie sofort. Dann resignierten die meisten und wurden passiv. Ein junges Mädchen beweinte ihre hübschen, verlorenen Locken, darum bittend, die Haare nicht zu kurz zu schneiden. Sie sollten alle in wenigen Minuten sterben und wir konnten nichts ändern. Nachdem die Frauen weg waren, packten wir die Haare in Kartoffelsäcke, die dann in einen nahe gelegenen Lagerraum gebracht wurden.
"

Lumpenkommando
Sortierplatz
Dies war das größte Arbeitskommando, das aus etwa 80 - 120 Leuten bestand. Es war unterteilt in mehrere kleinere Gruppen. Das Kommando arbeitete auf dem Platz, wo die Sachen der Opfer gesammelt wurden, und in den Sammelbaracken. Ihre Hauptaufgabe war, die Kleidung und die Habseligkeiten der Opfer zu sammeln, zu untersuchen, nach Kategorien zu sortieren, sie in Bündeln zu je 10 - 25 Einheiten zu verschnüren, sie für den Versand bereit zu machen und schließlich in die Güterwagen zu verladen. Die Mitglieder trugen eine spezielle Nummer auf den Kragen, die sie auf jedes Bündel schreiben mussten, das sie packten. Die Kleidung wurde untersucht nach Dokumenten, Fotos, verstecktem Geld, Wertsachen und den gelben Judensternen oder anderen Zeichen, die die Kleidung als jüdisch ausgewiesen hätten. Derartige Aufnäher mussten entfernt werden. Jedes übersehene Zeichen jüdischen Ursprungs musste der Arbeiter mit seinem Leben bezahlen.

Samuel Willenberg und Richard Glazar beschreiben die Arbeit des "Lumpenkommandos" in Treblinka:
Wie Hausierer auf einem Persischen Markt, die ihre Waren anpreisen, schrie der Vorarbeiter 'Arbeitet, arbeitet schneller!' Das Gebrüll hallte über den riesigen Platz. Wie jeder andere arbeitete ich in halsbrecherischer Eile. Alles was ich anfasste, musste nicht nur nach Stoffart, sondern auch nach Qualität sortiert werden. Wertlose Lumpen wurden auf besondere, weiße Unterlagen geworfen, zu Bündeln verschnürt und in der Mitte des Platzes aufgehäuft. Diese weißen Bündel erstreckten sich in Haufen, auf hunderte von Metern, unheimliche Straßen von Mänteln, Jacken, Kleidern und sonstigen Kleidungsstücken bildend.

In einer mörderischen Geschwindigkeit, begleitet von den verrückten Schreien des Vorarbeiters, arbeiteten wir und sortierten alle diese persönlichen Habseligkeiten. Dann und wann fanden wir diverse Dokumente - Geburtsurkunden, Geld, Familienfotos, Briefe von Verwandten, Diplome, Universitätsurkunden, Facharbeiterbriefe, Doktorenlizenzen. Ich sortierte Brillen, Messer, Löffel, Töpfe und Scheren, die ich dann, wie die anderen auch, in Koffern neben mir verstaute. Wir arbeiteten wie die Verrückten. Plötzlich, wie auf Befehl, begann der Vorarbeiter zu schreien 'Koirem! Koirem!' - eine Vereinfachung aus der hebräischen Liturgie - und jeder fing an, noch wahnsinniger zu arbeiten. Wir warfen die Sachen der ermordeten Juden in die Luft, den Anschein eines schnellen Arbeitsfortschrittes erweckend.'

Spät am Nachmittag platzte Küttner in die "Baracke A", wie ein enormes Stück heißer Eisenschlacke, und ließ alle Bündel zählen um festzustellen, dass da 132 Bündel Männerhemden waren anstatt der angegebenen 205. 73 Bündel Männerhemden zu jeweils 10 verpackt, fehlten. Es gab da noch einen kleinen Haufen von etwa 20 Stücken, die noch sortiert werden mussten. Abgesehen von diesen gab es keine Hemden in Treblinka, auch keine Sportjacken. Mit einem abschließenden Klicken seiner Absätze blickt Küttner auf von seiner Buchhaltung. 'Die zwei Aufseher von Baracke A nach vorn! Als Bestrafung werden sie als normale Arbeiter nach Lager II geschickt.'
Nach Lager II - nach dem Totenlager. Sie werden für uns tot sein.
"

Waldkommando und Tarnungskommando
Eine besondere Gruppe, bekannt als "Waldkommando", aus einigen Dutzend Gefangenen bestehend, musste Feuerholz holen, um die Heizung und die Küche mit Brennstoff zu versorgen. Die Männer arbeiteten in den dichten Wäldern in der Nähe der Lager. Als die Verbrennung der Leichen begann, wurde das Kommando vergrößert, weil es das Brennholz für die Scheiterhaufen besorgen musste.

In Treblinka arbeitete noch eine weitere Gruppe von Gefangenen außerhalb des Lagers. Man nannte es das "Kommando Tarnung". Es bestand aus ca. 25 Männern. Ihre Aufgabe war, die inneren und äußeren Zäune des Lagers mit Kiefernzweigen zu tarnen, besonders die Zäune um den Vernichtungsbereich und den "Schlauch". Weil die vertrockneten Zweige oft ausgetauscht werden mussten, arbeitete dieses Kommando permanent, stets unter strenger Bewachung durch Deutsche und Ukrainer.

Thomas Blatt beschrieb das Waldkommando in Sobibor:
Ich beschloss, als nächstes das Waldkommando zu versuchen. Die Arbeit darin fand auch außerhalb des Stacheldrahtes des Lagerzaunes statt. Diese besondere Gruppe versorgte das Krematorium mit Holz, das durch das Fällen von Bäumen und Ausgraben der Baumstümpfe gewonnen wurde. Obwohl dieses Gebiet schwer bewacht wurde, waren wir aus der Sichtweite der Wachen auf den Türmen. Vielleicht, nur vielleicht, gab es eine Fluchtmöglichkeit. Ich hatte nach einer Möglichkeit gesucht, mich dem Waldkommando azuschließen, um die Möglichkeiten auszukundschaften.
Eines Morgens fragte ich Vormann Podchlebnik, mir zu erlauben, bei dem Kommando mitzumachen. Ich wurde akzeptiert. Die Gruppe war aus 20 polnischen Juden und 20 niederländischen Juden gebildet. Jeden Morgen gingen wir in den Wald, etwa drei Meilen außerhalb des Lagers. Es stellte sich heraus, dass wir tatsächlich schwer bewacht wurden, eine Wache für zwei Gefangene. Ja, wir hatten Waffen - Äxte und Sägen zum Bäume fällen - aber die Ukrainer hatten eine besondere Strategie zu unserer Bewachung. Sie standen in einer größ:eren Entfernung als üblich, ihre Waffen stets bereit.
"

Die Arbeit war quälend, überwacht von den SS-Männern Hubert Gomerski und Werner Dubois. Besonders Gomerski war bekannt für seine Grausamkeit. Am 20. Juli 1943 gab es einen Fluchtversuch des Waldkommandos in Sobibor, von Thomas Blatt beschrieben:
Schließlich wurde uns befohlen aufzuhören und einen lockeren Kreis zu bilden, in der Mitte einer Wiese zwischen Lager II und Lager III. Nun bemerkte ich eine Gruppe von Leuten, die mit ihren Händen hinter dem Kopf im Gras saßen. SS-Untersturmführer Johann Niemann hielt eine Rede:
`Einige Mitglieder des Waldkommandos haben versucht zu entfliehen. Nur die holländischen Juden zeigten ihre Integrität und versuchten nicht, wegzulaufen. Als Belohnung dafür wird ihnen erlaubt, weiter zu arbeiten, und sie werden nicht bestraft. Gleich werden die eingefangenen polnischen Juden des Waldkommandos exekutiert, und das wird das Schicksal für jeden sein, der auch nur im Entferntesten davon träumt, wegzulaufen.'
Einige Yards von den Verurteilten entfernt standen zwei ukrainische Helfer, die die Exekution ausführten. Jeweils zwei Gefangene wurden abgeführt. Sie bewegten sich apathisch nach dem befohlenen Platz. Alle verbrachten ihre letzten Sekunden damit, direkt auf die Gewehrmündungen zu blicken. Von allen Opfern protestierte nur eines - Podchlebnik, der Vorarbeiter des Waldkommandos. Eine Sekunde bevor er exekutiert wurde, spuckte er nach den Deutschen und schrie 'Erinnert euch, es wird eine Zeit kommen, wann wir gerächt werden!'


Sonstige Kommandos
Andere Gruppen von Gefangenen waren damit beschäftigt Baracken zu bauen, Stacheldrahtzäune zu ziehen oder Wege innerhalb des Lagers anzulegen.
Im Herbst und Winter wurde zumindest in Treblinka ein Kartoffelkommando eingerichtet. Diese Männer hatten die Aufgabe, die eingelagerten Kartoffeln vor Frost zu schützen.
Einige Gefangene arbeiteten auch im Gemüsegarten oder in den diversen Ställen, andere mussten Hütten und Toiletten reinigen.
Es gab auch Gefangene, die der SS persönlich dienten, z.B. Ärzte, Zahnärzte und Friseure. Eine kleine Gruppe von Jungen säuberten und putzten die Schuhe und Uniformen des SS-Personals. Diese Kinder arbeiteten bei und in den SS-Baracken.
Unter "Hofjuden" verstand man Facharbeiter wie Schneider, Schuhmacher, Schmiede, Mechaniker, Tischler u.a., die direkt für die SS arbeiteten.

Arbeitskommandos im Vernichtungsbereich

Das Räumkommando für die Gaskammern
Die neuen Gaskammern
Diese Gruppe von mehreren Dutzend Männern mussten die Leichen aus den Gaskammern ziehen und auf den Rampen an beiden Seiten des Gaskammergebäudes ablegen. Die Arbeit dieser Männer war physisch und psychisch extrem belastend: Nach einer Vergasung standen die Leichen wie ein Block zusammen, der nach und nach aufgebrochen werden musste. Es kam vor, dass die Männer dieses Kommandos selbst Opfer des Giftgases wurden, wenn sie zu schnell nach dem Öffnen der Türen die Kammern betraten.

Das Leichenkommando
Dies war das größte Kommando im "Totenlager" von Treblinka. Es bestand aus einigen hundert Männern, die die Leichen von den Rampen abholten und nach den Massengräbern bzw. den Verbrennungsrosten brachten.
Nachdem unterschiedliche Transportmethoden ausprobiert worden waren, ließ die SS die Leichen auf Tragbahren wegbringen. Jeweils zwei Männer trugen die Bahren, die wie Leitern aussahen und mit Tragriemen aus Leder versehen waren. Die Toten wurden mit dem Gesicht nach oben auf die Bahren gelegt, um die Arbeit der "Zahnärzte" zu beschleunigen. Elihau Rosenberg sagte im Prozess gegen John Demjanjuk (angeblich “Ivan der Schreckliche”):
Ich schaffte es, mich mit einem der "Zahnärzte" anzufreunden. Er hieß Lindwasser. Als ich nun zu ihm, dem "Zahnarzt", kam, ... sagte ich zu ihm: `Avraham, sei etwas langsamer beim Suchen nach Goldzähnen,' weil das die einzige Sekunde war um mich auszuruhen. Irgendwie konnte ich die Bahre auf meinen Knien ruhen lassen, weil ich mich nieder hockte. Für mich war diese eine Sekunde entscheidend. Sie gab mir dieses kleine Bisschen an Pause.
Später wurde er (Lindwasser) einer der "Bademeister", die die Gaskammern und die Rampen zwischen zwei Vergasungen reinigten. Auf der Rampe sitzend, sah er Ivan und Nikolai, wie diese ihren Aufgaben nachkamen und hörte den Tod zu denen in den Kammern kommen.
"

Das Säuberungskommando für die Gaskammern und den Schlauch
Angehörige dieses Kommandos wuschen Blut und Ausscheidungen von Boden und Wänden der Gaskammern, weil diese vor Eintreffen des nächsten Transportes sauber sein mussten. Sie säuberten auch den Schlauch von den Hinterlassenschaften der getriebenen Opfer und sträuten Sand auf den Boden.

Die "Zahnärzte"
Das Kommando der "Zahnärzte" hielt sich zwischen den Gaskammern und den Massengräbern bzw. Verbrennungsrosten auf. Etwa 20 Männer mussten den Leichen mit Kneifzangen die Goldzähne entfernen. Die Männer untersuchten zusätzlich die Körperöffnungen der Leichen (besonders der Frauen) nach verborgenen Wertsachen. Ein Teil der Gruppe säuberte die extrahierten Zähne und machte sie versandfertig.

Das Beerdigungskommando
Einige Dutzend Männer arbeiteten an und in den Massengräbern. Nachdem die Leichen in die Gruben geworfen worden waren, wurden sie in Reihen gelegt. Um Platz zu sparen, legte man die Körper abwechselnd so hin, dass jeweils ein Kopf zwischen den Füßen von zwei Leichen lag und jedes Paar Füße zwischen zwei Köpfen. Sand oder Chlorkalk wurde über jede Lage gestreut. Etwa die Hälfte des Kommandos arbeitete in den Gruben, der andere Teil schüttete Sand auf jede Schicht von Leichen. Wenn eine Grube voll war, wurde sie mit Erde bedeckt und ein neues Massengrab ausgehoben.

Im Frühjahr 1943 begannen in Treblinka die Deutschen, die Leichen zu verbrennen. Samuel Willenberg erinnerte sich:
Nun besorgten sich die SS-Männer einen Tank mit Rohöl und schleppten ihn ins "Totenlager". Einige Tage später sahen wir schwarzen Qualm hinter dem Wall zwischen Sortierplatz und "Totenlager" aufsteigen. Der Rauch stieg hunderte von Metern in den Himmel. Deutsche liefen ständig ins "Totenlager", und Ukrainer bewachten uns dann in großer Zahl, mehr als sonst üblich. Galewski, der Lagerälteste, wusste, was los war:
`Die Deutschen, diese Bastarde, öffnen die Gräber, schütten Rohöl auf die Leichen und verbrennen sie; es funktioniert aber nicht.'


Arbeit an den Massengräbern
Nachdem verschiedene Methoden des Verbrennens getestet worden waren, errichtete man große Roste. Jankiel Wiernik (Treblinka) schrieb:
"Eines Tages kam ein SS-Oberscharführer, Herbert Floss, ins Lager und führte ein wahrliches Inferno ein. Er ließ einen Bagger kommen, der 3.000 Leichen auf einmal ausbaggern konnte. Ein 100 - 150 m langer Feuerrost aus Eisenbahnschienen wurde auf Betonblöcken installiert. Die Arbeiter schichteten die Leichen auf den Rost und zündeten sie an."
Das Kommando an den Rosten wurde als "Feuerkolonne" bekannt. Sie nahmen die Leichen von den Tragbahren und legten sie in Schichten bis zu 2 m hoch auf die Roste. Ein anderes Spezialkommando, bekannt als "Aschenkolonne", hatte die Aufgabe, die Asche einzusammeln und die Überreste von verkohlten Knochen auf dünne Laken zu legen. Runde Holzknüppel wurden dann zum Zerkleinern der Knochen benutzt. Die kleinen Stücke wurden dann durch ein enges Metallgeflecht gesiebt um jede mögliche Identifizierung zu vermeiden. Jeder Knochen, der nicht durch das Sieb fiel, wurde zur nochmaligen Zerkleinerung zurück gegeben.

Sonstige Kommandos im "Totenlager" von Treblinka
In Treblinka wurde eine eigene Küche und eine Wäscherei für die Gefangenen im "Totenlager" eingerichtet, um jeden Kontakt zwischen den beiden Lagerteilen zu vermeiden. Eine Gruppe von Handwerkern wurde extra für Reparaturen und Bauten im "Totenlager" eingerichtet. Insgesamt waren in diesem Bereich von Treblinka zwischen 200 und 300 Menschen in diversen Kommandos tätig.


© ARC 2006