POSTKARTE AUS DEM LIPOWA LAGER
Eine Postkarte, geschrieben am 13. September 1942, einen Tag später abgeschickt.
Absender: " Lisa Schuldberger, Lublin GG, Lindenstr.7, Lager"
Empfänger:" Maria Kittel, Berlin ..."
Eine junge Frau schickt Grüße an ihre kleine Schwester. Sie ist traurig, weil sie
keine Pakete erhält obwohl ihre Verwandten einige abgeschickt hatten. Seit ihrer Ankunft
im Lager, vor zwei Wochen, hat sie keine Kleidung zum Wechseln.
Foto: Edward Victor
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Das Zwangsarbeitslager in der Lipowa Straße (Lindenstraße 7, während der Besatzungszeit nur
"Lindenstraße" genannt) wurde im
Oktober 1939 auf Befehl des
SS- und Polizeiführers
Odilo Globocnik errichtet. Etwa 200 Juden aus
Lublin wurden gezwungen,
den ehemaligen Sportplatz des "Akademischen Sportvereins Lublin" in ein Kriegsgefangenenlager zu verwandeln.
Baracken für Handwerker wurden errichtet.
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Lagerkarte |
Jüdische Kriegsgefangene der polnischen Armee sollten hier interniert werden.
Sie waren im
September 1939 während des deutschen Einmarsches in Polen
gefangen genommen worden.
Einige tausend jüdische Kriegsgefangene und Zivilisten wurden hier zusammengepfercht.
Zwischen
Frühling 1940 und Ende des Jahres wurden etwa 3.200 Gefangene entlassen.
Die in den von sowjetischen Truppen besetzten Gebieten Polens beheimateten Juden mussten im Lager
bleiben. Sie erhielten Hilfe von der jüdischen Gemeinde
Lublins, deren
Mitglieder Geld, Kleidung, Medizin usw. sammelten und Familien suchten, die sie aufnehmen würden. Aus diesem
Grund konnten die meisten Gefangenen im
Juni 1940 entlassen werden.
Von 14. August bis 7. September 1940 war das Lager ein Durchgangslager
für jüdische
Zwangsarbeiter: Mehr als 15.000 Juden wurden eingeliefert und nach kurzer Zeit nach anderen Lagern
im Distrikt
Lublin deportiert.
Im Februar 1941
befanden sich etwa 3.000 Juden im Lager, die nicht mehr
als Kriegsgefangene eingestuft waren. Sie mussten in den Werkstätten arbeiten. Einige hundert Juden
wurden beim Bau des nahe gelegenen
KZ Majdanek eingesetzt.
Im
Dezember 1940 übernahm der SS-Wirtschaftsbetrieb
DAW
(Deutsche Ausrüstungswerke)
das Lager. Die "
DAW Lindenstraße" stellte vorwiegend Holzartikel her, die von an modernsten Maschinen
zwangsweise arbeitenden Juden produziert wurden. Es gab allerdings auch Schneider-, Schuster-, Sattlerei-,
Färberei- und Druckereiwerkstätten.
Juden aus dem Lager Lipowa-Straße wurden teilweise zur Arbeit nach anderen Lagern geschickt, wie auch
Gefangene aus anderen Lagern nach der Lindenstraße gebracht wurden.
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Besuch Himmlers am 20. Juli 1941 |
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Hermann Dolp |
Die SS-Wachmannschaften
("
Trawnikis") kamen aus
Majdanek.
Der Lagerkommandant war
SS-Sturmbannführer
Hermann Dolp. Die Lebensbedingungen der Gefangenen waren hart: Selbst kleine
Verstöße gegen die Lagerordnung bedeuteten oft den Tod. Für einen Geflüchteten wurden 10 andere
gehängt. Von Zeit zu Zeit wurden größere Gruppen selektiert, nach
Majdanek gebracht und dort getötet.
Am
17. August 1942 sollten einige hundert Gefangene nach
Majdanek gebracht werden, aber die Schuster unter ihnen
zogen ihre Messer und attackierten die Wachen. Mehrere SS-Männer wurden verletzt, einige getötet.
Diejenigen Juden, die nicht gleich erschossen wurden, fanden trotzdem ihr Ende in
Majdanek.
Während der Existenz des Lagers war eine Widerstandsorganisation aktiv, geleitet von
Roman Fiszer. Im
Winter 1942/43 konnten etwa
400 Juden nach und nach
flüchten. Die meisten von ihnen wurden allerdings eingefangen und erschossen. Etwa 150 Juden gelang es
jedoch, die umliegenden Wälder zu erreichen und sich zu zwei Gruppen zusammen zu schließen, die sich
später den "Gwardia Ludowa"-Partisanen anschlossen.
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Lipowa Lager, 1942* |
Nach dem
Sobibor-Aufstand (
14. Oktober 1943) befahl
Himmler, alle noch in
den Lagern im Distrikt
Lublin verbliebenen Juden umzubringen. Dieser
Massenmord fand gleichzeitig am
3. und 4.November 1943 in allen Lagern statt.
Deckname für die Aktion war
Aktion Erntefest, organisiert vom
SS- und Polizeiführer Jacob Sporrenberg, Nachfolger von
Globocnik.
Am
3. November 1943 mussten die verbliebenen 2500 Juden des Lagers ihren
letzten Weg antreten, nach
Majdanek. Sie versuchten vergebens zu entkommen.
Später wurde das Lager ein Außenlager des KZ
Majdanek. Kleine
Gruppen Gefangener hatten dort nun
zu arbeiten. Im
Februar 1944 wurden 500 nichtjüdische Insassen
deutscher KZs im Lager Lindenstraße eingeliefert.
Am
22. Juli 1944 wurde das Lager aufgelöst, die verbliebenen 229 Gefangenen nach
Auschwitz.
Momentan (Dezember 2005) finden an der Stelle des ehemaligen Lagers Bauarbeiten am neuen Plaza Centers Lublin
(Restaurants, Kinos, Läden, etc.) statt. Dieses Projekt könnte die letzten
Überreste (Betonfundamente und ein kurzes Baracken-Wandstück)
des Lagers für immer verschwinden lassen.
Fotos: Marek Gromaszek
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Quellen:
Pinkas Hakehillot.
"Lublin" - Encyclopedia Of Jewish Communities in Poland, Vol.7. Yad Vashem.
Israel Gutman.
Encyclopedia of the Holocaust.
Robert Kuwalek, Lublin
Das Foto, das
Himmler im Lager zeigt, können wir
zeigen mit freundlicher Genehmigung von
Peter Witte, Co-Author des Buches
"Der Dienstkalender Heinrich Himmlers 1941/42". Die Vergrößerung des Fotos wurde verbessert von ARC.
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Lage des Arbeitslagers - siehe Lublin City Karte |
© ARC 2005