ARC Main Page Die Besetzung Osteuropas Einsatzgruppen

Aktion 1005

Letztes Update 2. April 2006

Heinrich Müller
Heinrich Müller
Unter dem Decknamen "Aktion 1005" versuchten die Deutschen, alle Spuren der Vernichtungspolitik der Nazis im Osten zu verwischen. Hierzu sollten die Massengräber geöffnet und die Leichen verbrannt werden.
Der Deckname hat seinen Ursprung im Aktenzeichen 1005, das in einer entsprechenden Korrespondenz zwischen dem Gestapo-Chef SS-Gruppenführer Heinrich Müller und Martin Luther (im Außenministerium tätig) verwendet wurde. Alle an der Aktion beteiligten Einheiten erhielten die Bezeichnung "Sonderkommando 1005".
Die "Aktion 1005" wurde im Frühjahr 1942 aus drei Gründen geplant:
1. Den Alliierten waren die Massenmorde zu Ohren gekommen.
2. In Chelmno, Auschwitz-Birkenau, den Aktion Reinhard-Lagern und anderen Plätzen (Einsatzgruppen) lagen die Leichen in großen Massengräbern. Im heißen Sommer 1942 begannen sich die verwesenden Körper aufzublähen, u.a. in Treblinka und in der Nähe der beiden ersten Gaskammern in Auschwitz-Birkenau (Bunker I und II). Verwesungsgase hoben die Erdoberfläche an und eine schwarze, faulig stinkende Masse kam zum Vorschein. Der grauenvolle Geruch lockte Millionen von Fliegen an, wodurch das Leben in den umliegenden Siedlungen sehr erschwert wurde. Örtliche Behörden fürchteten auch eine Vergiftung des Grundwassers.
3. Die Nazis fürchteten, dass künftige Generationen die Massenmorde nicht verstehen würden.

Paul Blobel
Paul Blobel *
SD-Männer in Polen
SD-Männer in Polen
In einer Versuchsphase, zwischen 1942 und 1943, waren die "Sonderkommandos 1005" in den Vernichtungslagern tätig. SS-Standartenführer Paul Blobel, direkt Müller unterstellt, beaufsichtigte das Exhumieren und Verbrennen der Leichen. Blobel entwickelte verschiedene Verbrennungsmethoden, z.B. schichtweises Stapeln von Leichen und Feuerholz oder die Verwendung von Eisenbahnschienen als Verbrennungsroste.

In der zweiten Phase, von Juni 1943 bis Mitte 1944, öffneten die "Sonderkommando 1005"-Einheiten Massengräber in Polen, dem Baltikum und den besetzten Gebieten in der ehemaligen UdSSR.

Jedes dieser Sonderkommandos bestand aus mehreren SD-Offizieren (Sicherheitsdienst), Sipo-Männern (Sicherheitspolizei) und Ordnungspolizisten (Orpo). Sie bewachten die eigentlichen Arbeiter: hundert oder mehr Juden, die gezwungen wurden die Gräber zu öffnen, die Leichenreste (oder die Asche) nach Wertgegenständen zu untersuchen und schließlich zu verbrennen. Diese Juden wurden nach getaner Arbeit umgebracht.

Zuerst wurden Massengräber beim Janowska-Lager in Lviv (Lwow) geöffnet. Im August 1943 wurden in Kyiv (Kiew) (Ukraine) zwei neue Einheiten gebildet: "Sonderkommando 1005-A" und "Sonderkommando 1005-B".
"1005-A" operierte in der Ukraine (zwischen Dnipropetrovsk (Dnjepropetrowsk) und Berditchiv (Berditschew)), z.B. in Babi Jar. Dort hatte Blobels "Einsatzgruppe 4a" am 29. und 30. September 1941 33.771 Juden aus Kyiv erschossen. Vom 18. bis 19. August 1943 zwangen etwa 40 SS- und SD-Männer 327 jüdische Insassen des Lagers in Syrets, die Opfer auszugraben und zu verbrennen. Anschließend fuhr das Sonderkommando nach Berditchiv, Belaja Zerkov, Uman und Kamenets-Podolski, wo Ähnliches geschah. Wegen des Näherkommens der Roten Armee wurde die Einheit schließlich erst nach Zamosc (Distrikt Lublin) und dann nach Lodz verlegt, zur Bewachung der Deportationstransporte vom Ghetto Lodz nach Auschwitz.
"1005-B" öffnete die Massengräber in Dnipropetrovsk, Kriwoi Rog und Nikolaiev. Später beorderte man die Einheit nach Riga, wo sie im Lager Salaspils untergebracht war.
Im östlichen Weißrussland (Militärbezirk) wurden zwei weitere "Sonderkommandos 1005" gebildet: "Sonderkommando 7a" und "7b". Sie exhumierten Leichen in der Nähe von Gomel, Mogiljow, Bobruisk und Vitebsk. Im Westen Weißrusslands war das "Sonderkommando 1005-Mitte" (geleitet von Max Krahner) aktiv. Es war im Vernichtungslager Maly Trostinec bei Minsk stationiert, wo es etwa 40.000-50.000 Leichen von Juden aus Minsk und dem "Reich" exhumierte und einäscherte. Anschließend zog die Einheit weiter nach dem Gebiet um Molodetschno, dann nach Brest-Litowsk, Pinsk, Kobrin und Lomza. Am 16. August 1944 befahl man das Sonderkommando nach Lodz, wo es zusammen mit "Sonderkommando 1005-A" die Deportationen bewachte.

In vielen anderen Städten und Regionen, vom Baltikum bis Jugoslawien (68.000 Leichen), wurden örtliche "Sonderkommandos 1005" gebildet, um die grausigen Spuren zu verwischen.
Viele Männer der Sonderkommandos wurden letztlich nach Kärnten (Österreich) versetzt und bildeten die "Einsatzgruppe Iltis". Sie bekämpften bis zum Ende des Krieges Partisanen im Raum Kärnten, Nord-Italien und Nord-Jugoslawien

Sonderkommando 1005 Verfahren:

Heilbronn, 1962-63:
Theimer, Rudolf - 4 Jahre
Straftaten im Rahmen einer Abteilung des Sonderkommandos 1005, das beauftragt war, Massengräber zu beseitigen. Massenerschießungen von wenigstens 45 jüdischen Gefangenen des Arbeitskommandos. Einzelerschießungen von zusammen 10 Personen, die ins HS KL Borek Lager eingeliefert wurden um dort getötet zu werden.

Koblenz, 1963-1965:
Dalheimer, Karl Robert - 4 Jahre
Harder, Arthur Alexander - Urteil annuliert; ein späteres Urteil konnte nicht ermittelt werden.
Heuser, Georg Albert Wilhelm - 15 Jahre
Merbach, Friedrich - 7 Jahre
Schlegel, Rudolf - 8 Jahre
Stark, Franz - lebenslang
Wilke, Artur Fritz - 10 Jahre
Feder, Johannes Hugo Otto - 4,5 Jahre
Kaul, Wilhelm - 4,5 Jahre
Oswald, Jakob Herbert - 4 Jahre
Toll, Eberhard Richard Ernst von - 4,5 Jahre
(Polizei SiPo Minsk, Sonderkommando 1005)
Verbrechen verübt in Minsk, HS KL Gut Trostinez, Koidanow, Rakow, Slonim, Sluck. Erschießungen, Vergasungen in "Gaswagen", wie auch Verbrennungen lebender sowjetischer und westeuropäischer Juden, die nach Minsk deportiert worden sind, von Roma, geistig Behinderten, anderen sowjetischen Zivilisten und sowjetischen Agenten während der Jahre 1941-1944, innerhalb des Verwaltungsbezirks des KdS/BdS Minsk. Vergeltungserschießungen: unter anderem von 300 Männern, Frauen und Kindern aus Minsk, nach dem Attentat auf den Generalkommissar Kube.

Hamburg, 1968:
Drews, Otto Erich - lebenslang
Goldapp, Otto Hugo - lebenslang
Krahner, Max Hermann - lebenslang
(Sonderkommando 1005)
Tötung von Juden und anderen Gefangenen, die eingesetzt waren zur Exhumierung von Massengräbern in Polen und Weissrussland (in Minsk, HS KL Gut Trostinez, Pinsk, Smolewitsche, Kobryn, Slonim, Lomza), durch Erschießung, Vergasung und Sprengung eines Gefangenenbunkers.

Stuttgart, 1969:
Helfsgott, Walter Ernst - Freispruch
Kir., Fritz Karl - Freispruch
Soh., Hans Friedrich - 4 Jahre
Zie., Fritz Otto Karl - 2,5 Jahre
(Sonderkommando 1005A, Sonderkommando 1005B)
Erschiessung von bei der Enterdung von Massengräbern in der Babi-Yar-Schlucht bei Kiew, Uman, Kamieniec-Podolski, Nikolajew, Samocz, Belaja-Zerkow, Woskresenskoje und in und bei Riga eingesetzten - meist jüdischen - Häftlingen

Foto: USHMM *

Quellen:
Enzyklopädie des Holocaust
Justiz und NS-Verbrechen, Band XXVII

© ARC 2005