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Heinrich Müller |
Unter dem Decknamen "Aktion 1005" versuchten die Deutschen, alle Spuren der Vernichtungspolitik der Nazis
im Osten zu verwischen. Hierzu sollten die Massengräber geöffnet und die Leichen verbrannt werden.
Der Deckname hat seinen Ursprung im Aktenzeichen 1005, das in einer entsprechenden Korrespondenz zwischen
dem Gestapo-Chef
SS-Gruppenführer Heinrich Müller und
Martin Luther (im Außenministerium tätig) verwendet wurde.
Alle an der Aktion beteiligten Einheiten erhielten die Bezeichnung "Sonderkommando 1005".
Die "Aktion 1005" wurde im
Frühjahr 1942 aus drei Gründen geplant:
1. Den Alliierten waren die Massenmorde zu Ohren gekommen.
2. In
Chelmno,
Auschwitz-Birkenau, den Aktion Reinhard-Lagern und anderen
Plätzen
(
Einsatzgruppen) lagen die Leichen in großen Massengräbern.
Im heißen
Sommer 1942 begannen sich die verwesenden Körper
aufzublähen, u.a. in
Treblinka und in der Nähe der beiden ersten Gaskammern in
Auschwitz-Birkenau
(
Bunker I und II). Verwesungsgase hoben die
Erdoberfläche an und eine schwarze, faulig stinkende Masse kam zum Vorschein. Der grauenvolle Geruch lockte
Millionen von Fliegen an, wodurch das Leben in den umliegenden Siedlungen sehr erschwert wurde. Örtliche
Behörden fürchteten auch eine Vergiftung des Grundwassers.
3. Die Nazis fürchteten, dass künftige Generationen die Massenmorde nicht verstehen würden.
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Paul Blobel * |
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SD-Männer in Polen |
In einer Versuchsphase,
zwischen 1942 und 1943, waren die "Sonderkommandos 1005"
in den Vernichtungslagern tätig.
SS-Standartenführer Paul Blobel,
direkt
Müller unterstellt, beaufsichtigte das Exhumieren und Verbrennen der
Leichen.
Blobel entwickelte verschiedene Verbrennungsmethoden, z.B.
schichtweises Stapeln von Leichen und Feuerholz oder die Verwendung von
Eisenbahnschienen als Verbrennungsroste.
In der zweiten Phase, von
Juni 1943 bis
Mitte 1944,
öffneten die "Sonderkommando 1005"-Einheiten Massengräber in Polen, dem Baltikum und den besetzten
Gebieten in der ehemaligen UdSSR.
Jedes dieser Sonderkommandos bestand aus mehreren SD-Offizieren (Sicherheitsdienst), Sipo-Männern
(Sicherheitspolizei) und Ordnungspolizisten (Orpo). Sie bewachten die eigentlichen Arbeiter: hundert oder mehr
Juden, die gezwungen wurden die Gräber zu öffnen, die Leichenreste (oder die Asche) nach
Wertgegenständen zu untersuchen und schließlich zu verbrennen. Diese Juden wurden nach getaner Arbeit
umgebracht.
Zuerst wurden Massengräber beim
Janowska-Lager in
Lviv (Lwow) geöffnet. Im
August 1943 wurden in
Kyiv (Kiew) (Ukraine)
zwei neue Einheiten gebildet: "Sonderkommando 1005-A" und "Sonderkommando 1005-B".
"1005-A" operierte in der Ukraine (zwischen
Dnipropetrovsk (Dnjepropetrowsk) und
Berditchiv (Berditschew)), z.B. in
Babi Jar. Dort hatte
Blobels "Einsatzgruppe 4a"
am
29. und 30. September 1941 33.771 Juden aus
Kyiv erschossen. Vom
18. bis 19. August 1943
zwangen etwa 40 SS- und SD-Männer 327 jüdische Insassen des Lagers in
Syrets, die Opfer auszugraben und zu verbrennen. Anschließend
fuhr das Sonderkommando nach
Berditchiv, Belaja Zerkov, Uman und
Kamenets-Podolski, wo Ähnliches geschah.
Wegen des Näherkommens der Roten Armee wurde die Einheit schließlich erst nach
Zamosc (Distrikt
Lublin)
und dann nach
Lodz verlegt, zur Bewachung der Deportationstransporte vom
Ghetto Lodz nach
Auschwitz.
"1005-B" öffnete die Massengräber in
Dnipropetrovsk, Kriwoi Rog und
Nikolaiev. Später beorderte man die Einheit nach
Riga, wo sie im Lager
Salaspils
untergebracht war.
Im östlichen Weißrussland (Militärbezirk) wurden zwei weitere "Sonderkommandos 1005" gebildet:
"Sonderkommando 7a" und "7b". Sie exhumierten Leichen in der Nähe von
Gomel, Mogiljow,
Bobruisk und
Vitebsk. Im Westen Weißrusslands war das
"Sonderkommando 1005-Mitte" (geleitet von
Max Krahner) aktiv. Es war im Vernichtungslager
Maly Trostinec bei
Minsk stationiert,
wo es etwa 40.000-50.000 Leichen von Juden aus
Minsk und dem "Reich" exhumierte
und einäscherte. Anschließend zog die Einheit weiter nach dem Gebiet um
Molodetschno, dann nach
Brest-Litowsk,
Pinsk, Kobrin und
Lomza. Am
16. August 1944
befahl man das Sonderkommando nach
Lodz, wo es zusammen mit
"Sonderkommando 1005-A" die Deportationen bewachte.
In vielen anderen Städten und Regionen, vom Baltikum bis Jugoslawien (68.000 Leichen), wurden örtliche
"Sonderkommandos 1005" gebildet, um die grausigen Spuren zu verwischen.
Viele Männer der Sonderkommandos wurden letztlich nach Kärnten (Österreich) versetzt und bildeten
die "Einsatzgruppe Iltis". Sie bekämpften bis zum Ende des Krieges Partisanen im Raum Kärnten,
Nord-Italien und Nord-Jugoslawien
Sonderkommando 1005 Verfahren:
Heilbronn, 1962-63:
Theimer, Rudolf - 4 Jahre
Straftaten im Rahmen einer Abteilung des Sonderkommandos 1005, das beauftragt war, Massengräber zu beseitigen.
Massenerschießungen von wenigstens 45 jüdischen Gefangenen des Arbeitskommandos. Einzelerschießungen
von zusammen 10 Personen, die ins HS KL Borek Lager eingeliefert wurden um dort getötet zu werden.
Koblenz, 1963-1965:
Dalheimer, Karl Robert - 4 Jahre
Harder, Arthur Alexander - Urteil annuliert; ein späteres Urteil
konnte nicht ermittelt werden.
Heuser, Georg Albert Wilhelm - 15 Jahre
Merbach, Friedrich - 7 Jahre
Schlegel, Rudolf - 8 Jahre
Stark, Franz - lebenslang
Wilke, Artur Fritz - 10 Jahre
Feder, Johannes Hugo Otto - 4,5 Jahre
Kaul, Wilhelm - 4,5 Jahre
Oswald, Jakob Herbert - 4 Jahre
Toll, Eberhard Richard Ernst von - 4,5 Jahre
(Polizei SiPo Minsk, Sonderkommando 1005)
Verbrechen verübt in Minsk, HS KL Gut Trostinez, Koidanow, Rakow, Slonim, Sluck.
Erschießungen, Vergasungen in "Gaswagen", wie auch Verbrennungen lebender sowjetischer und westeuropäischer
Juden, die nach Minsk deportiert worden sind, von Roma, geistig Behinderten, anderen sowjetischen Zivilisten und
sowjetischen Agenten während der Jahre 1941-1944, innerhalb des Verwaltungsbezirks des KdS/BdS Minsk.
Vergeltungserschießungen: unter anderem von 300 Männern, Frauen und Kindern aus Minsk, nach dem Attentat
auf den Generalkommissar Kube.
Hamburg, 1968:
Drews, Otto Erich - lebenslang
Goldapp, Otto Hugo - lebenslang
Krahner, Max Hermann - lebenslang
(Sonderkommando 1005)
Tötung von Juden und anderen Gefangenen, die eingesetzt waren zur Exhumierung von Massengräbern
in Polen und Weissrussland (in Minsk, HS KL Gut Trostinez, Pinsk, Smolewitsche, Kobryn, Slonim, Lomza), durch
Erschießung, Vergasung und Sprengung eines Gefangenenbunkers.
Stuttgart, 1969:
Helfsgott, Walter Ernst - Freispruch
Kir., Fritz Karl - Freispruch
Soh., Hans Friedrich - 4 Jahre
Zie., Fritz Otto Karl - 2,5 Jahre
(Sonderkommando 1005A, Sonderkommando 1005B)
Erschiessung von bei der Enterdung von Massengräbern in der Babi-Yar-Schlucht bei Kiew, Uman, Kamieniec-Podolski,
Nikolajew, Samocz, Belaja-Zerkow, Woskresenskoje und in und bei Riga eingesetzten - meist jüdischen -
Häftlingen
Foto: USHMM
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Quellen:
Enzyklopädie des Holocaust
Justiz und NS-Verbrechen, Band XXVII
© ARC 2005