ARC Main Page Die Besetzung Osteuropas Lodz Ghetto

Chelmno

Letztes Update 26. August 2006





Lagerkarte
Chelmno 1941 *
Das Lager wurde eingerichtet um die Juden im Warthegau (die von Deutschland annektierte polnische Provinz Poznan und Teile der Wojwodschaften Bydgoszcz, Lodz, Pomorze und Warschau) zu töten. 1939 lebten hier 4.922.000 Menschen, davon waren 385.000 jüdischen Glaubens.
Gauleiter Arthur Greiser betrachtete den Warthegau als "Exerzierplatz" für die nationalsozialistische Bevölkerungspolitik. Polen, Juden und Roma wurden als Untermenschen klassifiziert, diskriminiert, verfolgt und ermordet. Diejenigen Juden und Roma, die die vielen Exzesse überlebt hatten, wurden in Zwangsarbeitslager oder Ghettos eingewiesen; das größte Ghetto des Warthegaues war in Lodz. In Übereinstimmung mit Heinrich Himmler ließ Greiser schließlich alle nicht für die Zwangsarbeit geeigneten Juden ermorden.

Das SS-Hauptquartier
Dieses erste Nazi-Vernichtungslager lag in dem kleinen Dorf Chelmno nad Nerem (deutsch: Kulmhof am Ner). Chelmno liegt 60 km nordwestlich von Lodz und 14 km südöstlich von Kolo. Kolo liegt an der Bahnlinie Lodz - Poznan. Schon vor dem 2. Weltkrieg war der Bahnhof in Kolo durch eine Schmalspurbahn mit Chelmno verbunden, die bis Dabie ging.
Die Nazis wählten einen leer stehenden Herrensitz in Chelmno als Platz für das Lager aus. Im Herrenhaus (auch "Schloss" genannt) wurden die zur Vernichtung bestimmten Juden in Gaswagen umgeladen. Ein 2,5-3 m hoher Holzzaun umgab das Gelände, und dichter Baumbestand verhinderte den Blick auf das Herrenhaus und eine große Scheune. Das Haupttor zum Herrensitz funktionierte wie eine Schleuse: Von zwei Toren blieb immer eines verschlossen, so dass niemand entweichen konnte.

Lange
Herbert Lange
Das Lager wurde im November 1941 erbaut, nachdem man die meisten Dorfbewohner vertrieben hatte. Die Vernichtung der Juden und Roma übernahm das "Sonderkommando Kulmhof", auch bekannt unter "Sonderkommando Lange". Es wurde benannt nach seinem ersten Kommandanten SS-Hauptsturmführer Herbert Lange. Später erhielt es die Bezeichnung "Sonderkommando Bothmann", nach dem zweiten Kommandanten SS-Hauptsturmführer Hans Bothmann.
Herbert Lange war kein unbeschriebenes Blatt, hatte er doch bereits von Ende 1939 bis Juni 1940 geistig Behinderte in Polen durch den Gebrauch von Gaswagen getötet. Dieses Schicksal war nun auch den nach Chelmno Deportierten bestimmt.
In seiner Anfangsphase bestand das "SS-Sonderkommando Lange" aus etwa 15 SS- und Sipo-Männern, die alle relevanten Positionen im Lager besetzt hatten. Zusammen mit etwa 50-60 Polizisten der 1. Kompanie des Polizeibataillons Litzmannstadt (Lodz) und einigen Polizisten der 2. Kompanie waren die Männer verteilt auf das "Transportkommando", das "Schlosslager" und den Verbrennungsplatz im Rzuchowski-Wald, dem "Waldlager". SS und Polizei sicherte auch die Umgebung weitläufig ab. Nach Zeugenaussagen besuchten Heinrich Himmler, Arthur Greiser und Christian Wirth das Lager Anfang 1942.
Alle Mitglieder des Sonderkommandos erhielten einen Lohnzuschlag. Dazu sind die Quellen unterschiedlich: Der Polizist Bruno Israel sprach von 13 RM, die Bothmann direkt ausgezahlt haben soll. Der ehemalige Polizeichef des Lagers, Alois Häfele, sprach von 12 RM täglich, höhere Chargen 15 RM. Die Ehefrau des Polizeioffiziers Josef Peham sagte aus, dass der Zuschlag je nach Dienstrang zwischen 10 und 13 RM täglich betragen hat. Was auch immer der wahre Betrag gewesen sein mag, er erhöhte den normalen Lohn auf mehr als das Doppelte. Anfang März 1943 traf Greiser mit einigen NSDAP-Männern ein. Im Lokal "Riga" in Kolo (deutsch: Warthbrücken) wurde eine Party gegeben, auf der jedem Mann persönlich ein Schweigegeld von 500 RM einmalig von Greiser überreicht wurde, verbunden mit dem Versprechen, dass jeder einen zweiwöchigen Urlaub auf Greisers Wohnsitz in Berlin verbringen dürfe. Die Rechnung für die Party wurde der NSDAP Gauleitung Wartheland zwecks Bezahlung zugeschickt.

Eine Gruppe Gefangener (vorwiegend aus dem Fort VII in Poznan), die während der Euthanasie-Aktionen selektiert worden waren, war dem Sonderkommando direkt unterstellt. Diese Männer arbeiteten fast ausschließlich im "Waldlager". Nach ihrer täglichen, grausamen Arbeit hatten sie gewisse Privilegien und wurden nicht so grausam behandelt wie es die SS sonst mit anderen Gefangenen tat (siehe einen Brief!).
Franciszek Piekarski, Henryk Mania, Kajetan Skrzypczynski, Lech Jaskolski, Stanislaw Polubinski, Henryk Maliczak, Stanislaw Szymanski und Marian Libelt gehörten diesem Kommando an. Sie arbeiteten in Chelmno bis zur Ankunft Bothmanns.

Übersichtskarte
Die meisten Juden trafen mit der Bahn (üblicherweise 1.000 Personen in 20-22 Waggons) auf dem Bahnhof in Kolo ein. Bis Mitte März 1942 wurde jeder ankommende Transport in der Synagoge von Kolo eingesperrt, bis die Juden mit Lastwagen nach Chelmno gebracht wurden. Aufgrund von Protesten deutscher Stellen in Kolo, die es ablehnten, dass die Juden inmitten der Stadt auf ihren Abtransport warten mussten, änderte man ab Mitte März die Vorgehensweise. Von nun ab mussten die Juden auf dem Bahnhof in Schmalspurwagen umsteigen, die sie ca. 6 km weiter nach Powiercie brachten. Dort mussten alle aussteigen. Das schwere Gepäck wurde zurück gelassen, und die Juden mussten ca. 1,5 km durch einen Wald nach Zawadka marschieren. In der dortigen Mühle eingesperrt, verbrachte man dann die letzte Nacht. Am nächsten Morgen holten Lastwagen die Leute ab und brachten sie nach Chelmno. Teilweise wurden die in Powiercie ausgeladenen Juden auch mit Lastwagen nach Zawadka gebracht.
In der zweiten Phase von Chelmno (1944) fuhren die Opfer mit der Schmalspurbahn direkt von Kolo nach Chelmno, weil die kleine hölzerne Brücke über einen Nebenfluss der Warta zwischen Powiercie und Chelmno wieder repariert worden war. Polnische Truppen hatten sie beim Rückzug 1939 zerstört.

Das "Schloss"
In Chelmno brachte man die Menschen ins "Schlosslager". Die neu angekommenen Juden wurden von Lagerkommandant Bothmann, seinem Stellvertreter SS-Untersturmführer Albert Plate, Polizei-Meister Willy Lenz, Polizei-Meister Alois Haeberle oder Franciszek Piekarski begrüßt. Dieser war als Gutsherr ausstaffiert: Schaftstiefel, Federhut, gute Kleidung, eine Pfeife rauchend...
Im Hof sagte er den Wartenden, dass sie zur Arbeit nach Österreich oder weiter nach dem Osten geschickt würden, der Rest könnte auf seinem Gutshof arbeiten. Er stellte faire Behandlung und gutes Essen in Aussicht. Aus hygienischen Gründen müssten sie nur noch duschen und ihre Kleidung desinfizieren lassen. Nach dieser beschwichtigenden Ansprache brachte man die Juden zum Entkleidungsraum in der 1. Etage. Dort hatten sie sich zu entkleiden und die Wertsachen abzugeben. In Chelmnos zweiter Phase übernahm ein SS-Mann die Ansprache.
Diejenigen Wertsachen, die nicht von SS-Männern unterschlagen wurden, schickte die SS nach Pabianice bei Lodz, zusammen mit der Kleidung der Opfer. Dort hatte die SS einige Lagerhäuser für das Raubgut (z.B. Pelze) eingerichtet. Nach eingehender Untersuchung und anschließender Sortierung schickte man alles was noch zu gebrauchen war nach Deutschland bzw. verkaufte es an deutsche Bewohner des Warthegaus. Am 9. September 1944 wurden z.B. 775 Armbanduhren und 550 Taschenuhren von Chelmno an die Ghettoverwaltung in Lodz geschickt. Viele Kleidungsstücke waren mit Schmutz und Blut befleckt, einige Stücke trugen noch die Judensterne. Daher waren sicher viele Menschen in Deutschland über das Schicksal der Juden informiert.

Fundamente des Herrenhauses
Die unbekleideten Menschen wurden nun zu einem Korridor im Erdgeschoss gebracht, an dessen Wänden Schilder hingen wie "zum Bad" und "zum Arzt". Dort teilte man ihnen mit, sie würden nun mit Lastwagen zum Baden gebracht. Seife wurde verteilt. Widerspenstige wurden angebrüllt oder von drei polnischen Helfern, die wahrscheinlich zum Tode verurteilt worden waren, mit Peitschen geschlagen. Durch eine Außentür und über eine mit Brettern verkleidete Holzrampe betraten die Opfer schließlich den Laderaum des Gaswagens, der direkt an der Rampe wartete. Schnell schloss die SS die gasdichten Wagentüren und der Fahrer (u.a. Walter Burmeister / "Schöne Zeiten" - E. Klee, W. Dreßen, V. Rieß, S. Fischer Verlag, Frankfurt/M., 1988., S. 202-203) startete den Motor, fuhr jedoch nicht los. Schon vorher hatte der Fahrer das Auspuffrohr und den Laderaum (die Gaskammer) mit einem Schlauch verbunden, so dass die Motorabgase in den Laderaum strömen konnten. Nach 5-10 schrecklichen, von Schreien erfüllten Minuten waren alle Menschen erstickt. Dann fuhr der Wagen die Leichen nach dem "Waldlager".
In Chelmno wurde ein großer Gaswagen (Magirus, für 150 Menschen) und zwei kleinere (Opel Blitz und Diamond Reo für 80-100 Menschen) eingesetzt. Nach Bruno Israel wurde ein vierter Gaswagen für die Desinfektion von Kleidung benutzt. Das Sonderkommando verwendete evtl. ein mit Gift versetztes Spezialbenzin, jedoch keinen Dieseltreibstoff.

Rechnung
Nach der Vergasung fuhr der Wagen nach dem ca. 4 km entfernten "Waldlager" im Rzuchowski Wald. Auf der Fahrt dorthin öffneten sich eines Tages die hinteren Türen des Lastwagens, und viele Leichen fielen auf die Straße. Seitdem wurde die Stelle "Ecke des Todes" genannt. Im Waldlager musste das jüdische "Waldkommando" die Leichen aus dem Wagen heraus holen, nachdem er höchstens 10 Minuten entlüftet werden durfte. Danach mussten Mitglieder des "Waldkommandos" die Leichen nach verborgenen Wertsachen untersuchen; Goldzähne brach man heraus.
Obwohl eine unbekannte Zahl von Juden des "Waldkommandos" flüchten konnten, sind nur drei bekannt, die bei Kriegsende noch am Leben waren und persönlich ihre Erlebnisse im Lager schildern konnten: Mordechai Podchlebnik aus der ersten Phase von Chelmno, Mordechai Zurawski und Simon Srebnik aus der zweiten Phase des Lagers. Der erste Flüchtling des "Waldkommandos", der über das Lager berichten konnte, war Szlamek Bajler (auch bekannt als Yakov Grojanowski), der seine Erlebnisse an Emanuel Ringelblum im Warschauer Ghetto.weitergab.

Bis zum Frühjahr 1942 vergrub man die Opfer in vier langen Massengräbern, danach wurden die Leichen verbrannt. Dazu wurden zwei Krematorien gebaut, die evtl. im Sommer 1942 durch zwei mobile Öfen ergänzt worden sind (diese "Feldöfen" wurden hier möglicherweise auch für die Aktion Reinhard getestet). Hier in Chelmno machte Paul Blobel verschiedene Versuche zur Beseitigung von Leichen. Seine Versuchsergebnisse wurden dann an den Tötungsorten im Baltikum, in Weißrussland, der Ukraine und im Generalgouvernement umgesetzt. Trotz aller Bemühungen zur Beseitigung von Spuren sind noch heute Reste von menschlichen Knochen zu finden.
Die Männer des "Waldkommandos" wurden nach kurzer Zeit getötet und durch andere ersetzt. Die in umliegenden Dörfern lebenden Polen bezeugten nach dem Krieg, dass ständig Rauch aus dem Wald aufstieg.

Zychlin Deportation *
Wloclawek Deportation *
Die erste Phase in Chelmno dauerte vom 7. Dezember 1941 bis März 1943. Die ersten Opfer wurden aus den näher gelegenen Orten nach Chelmno deportiert: Babiak, Dabie, Deby Szlacheckie, Grodziec, Izbica Kujawska, Klodawa, Kolo, Kowale Panskie, Nowiny Brdowskie und Sompolno. Mitte Januar 1942 begann die SS, die Kuden aus dem Ghetto Lodz nach Chelmno zu bringen und dort zu vernichten: Vom 16. bis 29. Januar wurden 10.003 Juden ermordet, vom 22. Februar bis 2. April 34.073, vom 4. bis 15. Mai 11.680 und vom 5.-12. September 1942 15.859. Abgesehen von diesen Juden aus Lodz wurden auch fast alle anderen Juden im Warthegau bis zum Frühjahr 1943 ermordet. Auch 15.000 Juden aus Deutschland, Österreich, der Tschechischen Republik und Luxemburg sowie 5.000 Roma, einige hundert Polen, eine unbekannte Anzahl sowjetischer Kriegsgefangener und 88 Kinder aus dem tschechischen Lidice befanden sich unter den Opfern von Chelmno.
Am 7. April 1943 sprengte die SS das Herrenhaus und die zwei Krematorien. An diesem Tag kam ein letzter, unerwarteter Judentransport an, in dem sich typhuskranke Menschen befanden. Die Deutschen befahlen den Menschen, sich in das erste Stockwerk des Schlosses zu begeben. Wenig später wurde Sprengstoff im Erdgeschoss verteilt und gezündet. Das Herrenhaus fiel in sich zusammen, und die Juden wurden von den Trümmern begraben.
Bothmann und sein Sonderkommando wurden wenig später nach Italien / Jugoslawien zur Partisanenbekämpfung versetzt (SS-Division "Prinz Eugen"). Ein bedeutender Fund ist eine Bierflasche der Dreher Brauerei in Triest, die am Ende des ehemaligen Herrenhauses durch Archäologen ausgegraben wurde. Dies ist ein Beweis dafür, dass mindestens ein Mitglied von Bothmanns Männern in Triest gewesen ist, evtl. sogar im KZ San Sabba. Einige andere Flaschen wurden ebenfalls dort ausgegraben.

Fernschreiben Greiser - Himmler
Sieradz Deportation *
Auf Grund der Entscheidung Himmlers und Greisers, das Ghetto Lodz endgültig zu liquidieren, wurden im Juni und Juli 1944 weitere 10.000 Juden aus dem Ghetto in Chelmno ermordet. Dafür wurden das "Sonderkommando Bothmann" zurück geholt und zwei neue Krematorien im "Waldlager" gebaut. In dieser Phase besuchten Adolf Eichmann und Rudolf Höß das Lager.
Aussage Eichmanns während eines (des?) ersten Vehörs (nach seiner Festnahme) im Mai 1960 durch den israelischen Polizeihauptmann Avner W. Less:
"Eichmann: Ich weiß bloß folgendes, dass ich folgendes gesehen habe: Einen Raum, wenn ich mich noch recht entsinne, vielleicht fünfmal so groß wie hier, auch viermal so groß kann er gewesen sein. Da waren Juden drin, die mussten sich ausziehen, und dann fuhr ein Lastwagen vor, der ganz geschlossen war, wo vorn die Türen aufgemacht wurden, und fuhr gewissermaßen bis an eine Rampe ran. Und da mussten jetzt nun die nackten Juden hereingehen. Dann wurde der Wagen zugemacht, und er fuhr los.
Less: Wie viele Menschen fasste der Wagen?
Eichmann: Ich weiß es nicht genau zu sagen. Ich habe nicht einmal genau zusehen können, ich habe nicht hinein geschaut die ganze Zeit. Ich konnte es nicht, nicht, mir hat es genügt. Das Schreien und, und, ich war hier viel zu erregt gewesen und so weiter. Ich sagte das auch Müller bei meiner Berichterstattung. Er hat von meiner Berichterstattung nicht viel profitiert. Ich fuhr dann dem Wagen nach - sicher mit einem der Leute dort, die den Weg gewusst haben, und da sah ich das Entsetzlichste, was ich in meinem Leben bis dahin gesehen hatte. Der fuhr an eine längliche Grube, die Türen wurden aufgemacht, und heraus wurden Leichen geworfen, als ob sie noch lebten, so geschmeidig waren die Glieder. Wurden reingeworfen, ich sehe da noch, wie ein Zivilist mit einer Zange Zähne rauszieht, und dann bin ich abgehauen. Bin in den Wagen und bin weg und habe nichts mehr gesprochen... Da war ich bedient. Ich weiß nur noch, dass ein Arzt dort, in einem weißen Kittel, mir sagte, ich soll durch ein Guckloch schauen, wie sie im Wagen drin waren. Das habe ich abgelehnt. Ich konnte nicht, ich konnte nichts mehr sagen, ich musste weg. Ich bin nach Berlin gekommen, habe dem Gruppenführer Müller berichtet. Sagte ihm genau dasselbe wie jetzt auch, mehr konnte ich ihm nicht sagen... Fürchterlich, sag ich, das Inferno, kann nicht, es ist, ich kann dies nicht, hab ich ihm gesagt.
"

Höß über seinen Besuch in Chelmno am 16. September 1942:
"Bei dem Besuch von Kulmhof sah ich auch die dortige Vernichtungsanlage mit den Lastwagen, die zur Tötung durch die Motorabgase hergerichtet waren. Der dortige Kommandoführer bezeichnete aber die Art als sehr unzuverlässig, da das Gas sehr unregelmäßig sich bilde und oft zur Tötung nicht ausreiche."

In dieser "2. Phase" Chelmnos brachte man die Juden aus Lodz mit der Bahn nach Kolo, dann von Kolo nach Chelmno. Zum Teil wurden die Opfer auch mit Lastwagen von Lodz direkt nach Chelmno gebracht. Dort verbrachten die Juden ihre letzte Nacht in der Dorfkirche. Am nächsten Tag mussten die Menschen auf dem Platz vor der Kirche auf ihren Abtransport nach dem Waldlager warten, wohin sie in Gruppen zu jeweils ca. 150 gefahren wurden.
Dort trennte man von den Frauen und Kindern, und brachte sie in zwei neuen Baracken (10x20 m) unter. Dies sollte die Opfer Glauben machen, sie seien in einem Durchgangs- oder Arbeitslager angekommen, und somit beruhigen. Schilder mit Aufschriften wie "Zum Bad", "Zum Arzt" oder "Baracke Nummer.." sollten den Eindruck eines normalen Lagers vermitteln. Die SS versuchte diese Irreführung bis zur letzten Minute durchzuhalten, bis die entkleideten Opfer, Frauen und Kinder zuerst, die Tür "zum Bad" betraten. Hinter der Tür wurden die Nackten durch einen 20-25 m langen, 1,50 m breiten, mit Brettern verkleideten Gang getrieben. Der Gang wies einen Knick auf, so dass die Menschen beim Betreten dieser "Schleuse" nicht sehen konnten, dass sich am Ende eine Rampe befand, an der der Gaswagen wartete. Irreführung der Opfer sowie die "Schleuse" bzw. "Schlauch" waren vorher in Belzec und Sobibor erprobt worden und kamen nun auch hier zum Einsatz.
Ergänzend sei gesagt, dass die "Schleusen" von Chelmno, Belzec und Sobibor nur "unvollkommene" Vorläufer des perfektionierten "Schlauches" in Treblinka waren. Die erste "Schleuse" in Belzec (in Gebrauch vom Juli 1942 - Dezember 1942) war gerade und hatte keinen Knick. Dieser wurde später in der "Schleuse" von Sobibor eingebaut, die jedoch viel zu lang war. Der "optimale", letzte "Schlauch" in Treblinka (von der SS auch "Himmelfahrtstraße" genannt) hatte eine Kurve und genau die erforderliche Länge.

Die Überlebenden Zurawski und Srebrnik, sowie der festgenommene Polizist Bruno Israel beschrieben die Krematorien:
"Sie waren tief in den Boden hinein gebaut und ragten nicht über die Erdoberfläche hinaus. Sie sahen aus wie umgedrehte Kegel, mit rechteckigen Grundflächen. An der Oberfläche maßen sie 6x10 m und waren 4 m tief. Unten, an der Aschengrube, maßen sie 1,5x2 m. Die Roste waren aus Schienen angefertigt. Ein Kanal bis zur Aschengrube ermöglichte die Luftzufuhr und die Entfernung von Asche und Knochen. Die Wände des Krematoriums waren aus feuerfesten Steinen gebaut und mit Zement verputzt. Im Ofen waren abwechselnde Lagen aus gehacktem Holz und Leichen: Um die Verbrennung zu erleichtern, ließ man etwas Platz zwischen den Körpern. Der Ofen fasste 100 Leichen auf einmal, doch wenn sie herunter gebrannt waren, wurden frische von oben hinzu gefügt. Die Asche und Knochenreste wurden aus der Aschengrube entfernt, in Mörsern zermahlen und zuerst in extra ausgehobene Gruben geworfen; doch später, ab 1943, fuhr man Asche und Knochen nachts heimlich nach Zawadka und warf sie dort in den Fluss."

Denkmal im Rzuchowski Wald
Karte der Gedenkstätte
im Rzuchowski Wald
Die Tötungseinrichtungen in Chelmno reichten für die Vernichtung aller Juden des Ghettos Lodz nicht aus. Daher wurden die letzten 70.000 Juden aus Lodz nach Auschwitz deportiert.
Im September 1944 wurden alle Krematorien im "Waldlager" zerstört. Es wurden aber immer noch Leichen in den Massengräbern verscharrt. Mitte Dezember 1944 beseitigte man schließlich alle verbliebenen Einrichtungen. Bothmann und seine SS-Truppe wartete auf weitere Befehle, die aber nicht eintrafen. So entschied er, das "Sonderkommando Kulmhof" aufzulösen und die restlichen Juden des "Waldkommandos" umzubringen. In diesen Tagen revoltierten die in der Scheune des "Schlosslagers" eingeschlossenen Juden des Arbeitskommandos. Zwei Nazis wurden erschossen, Srebrnik und Zurawski konnten entkommen. Die anderen Juden des Kommandos wurden exekutiert. Die Scheune wurde von der SS in Brand gesteckt. Kurz vor dem Eintreffen der Roten Armee verließ die Einheit am 17. Januar 1945 den Ort des Verbrechens.

Mindestens 152.000 Menschen wurden in Chelmno ermordet. Alle Zeugen bestätigten, dass normalerweise täglich etwa 1.000 Menschen nach Chelmno gebracht worden sind - abgesehen von den auf Lastwagen eintreffenden Juden der näheren Umgebung.

Siehe unsere Listen Kinderopfer von Chelmno und Deportationen nach Chelmno.

Ein von einem deutschen Verwandten eines Opfers privat gestifteter Gedenkstein wurde im ehemaligen "Schlosslager" in Chelmno errichtet, weitere im Bahnhof Kolo, in Powiercie und auf dem Gelände des ehemaligen "Waldlagers".

Siehe die Namen von 7,168 Menschen aus Lodz, die zwischen Juni und August 1944 nach Chelmno deportiert worden sind.

Verfahren:

Verfahren Lfd.Nr.1159
Tatkomplex: Massenvernichtungsverbrechen in Lagern
Angeklagte:
El., Karl 14 Jahre
Gerichtsentscheidungen:
LG/BG Güstrow 520722 Az.: 1KLs87/52, LG/BG Greifswald 510523 Az.: StKs74/51, Ob.Gericht der DDR 520314 Az.: 1aZst3/52 1Kass.245/51
Tatland: Polen
Tatort: Lodz, KL Chelmno
Tatzeit: 4105-4202
Opfer: Juden
Nationalität: Polnische
Dienststelle: Polizei Schupo Lodz
Verfahrensgegenstand: Transport von ca. 30.000 jüdischen Männern, Frauen und Kindern aus dem Ghetto Lodz ins KZ Chelmno sowie Mitwirkung bei der dortigen Verladung der Opfer in LKW, in denen sie durch Auspuffgase getötet wurden (Weiter Aburteilung von nach 1945 begangenen Straftaten gemäss SMAD-Befehl 160)

Hannover, 1963 – 1964:
Bradfisch, Otto - 13 Jahre
Fuchs, Günter - Lebenslänglich
(Polizei Gestapo Lodz)
Teilnahme an der Ermordung von Juden aus Lodz durch die Leitung der Gestapo Lodz und der Abteilung IIB. Deportation tausender Juden aus dem Ghetto Lodz nach dem Vernichtungslager Chelmno. Misshandlungen, in vielen Fällen mit tödlichem Ausgang, Einzelerschießungen zahlreicher Juden während der Deportationen. Erschießung von noch im Ghetto vorgefundenen Juden zur Zeit der Räumung im August 1944. Von Januar 1942 bis Mai 1942, im September 1942 und von Juni 1944 bis August 1944.

Bonn, 1963 – 1965:
B., Heinrich Walter - keine Strafe verhängt (Par.47 MStGB - Militärstrafgesetzbuch)
Burmeister, Walter - 13 Jahre
Häfele, Alois - 13 Jahre
Heinl, Karl - 7 Jahre
H., Wilhelm - 13½ Monate
Laabs, Gustav - 13 Jahre
M., Friedrich - 13½ Monate
Me., Anton - keine Strafe verhängt (Par.47 MStGB - Militärstrafgesetzbuch)
Möbius, Kurt - 8 Jahre
Sch., Wilhelm - 13½ Monate
S., Alexander - keine Strafe verhängt (Par.47 MStGB - Militärstrafgesetzbuch)
(Haftstättenpersonal KL Chelmno)
Tötung von zusammen 150.000 jüdischen (deutsche, französische, österreichische, polnische, tschechische) Männern, Frauen und Kindern, wie auch etwa 5.000 Zigeunern, die im Rahmen verschiedener "Umsiedlungsaktionen" vom Ghetto Lodz und der unmittelbaren Umgebung nach Chelmno gebracht worden sind, wo sie in "Gaswagen" vernichtet worden sind. Von Dezember 1941 bis März 1943 und Juni 1944 bis August 1944.

Kiel, 1965:
F., Gustav Wilhelm - 13½ Monate
(Haftstättenpersonal KL Chelmno)
Tötung von zusammen mindestens 145.000 jüdischen (deutsche, französische, österreichische, polnische, tschechische) Männern, Frauen und Kindern, wie auch etwa 5.000 Zigeunern, die im Rahmen verschiedener "Umsiedlungsaktionen" vom Ghetto Lodz und der unmittelbaren Umgebung nach Chelmno gebracht worden sind, wo sie in "Gaswagen" vernichtet worden sind. Von März 1942 bis März 1943.

Fotos:
GFH *
Archiwum GK Komise *
Yad Vashem *
Arie A. Galles *: Teil seines Werkes "Fourteen Stations/Hey Yud Dalet", ausgestellt im Morris Museum in Morristown, New Jersey.
Siehe auch die Webseite des Künstlers: http://fermi.phys.ualberta.ca/~amk/galles/index.html

Quellen:
Gutman, Israel, ed. Encyclopedia of the Holocaust, Macmillan Publishing Company, New York, 1990
Kogon Eugen, Langbein Hermann & Rückerl Adalbert, eds. Nazi Mass Murder, Yale University Press, New Haven and London, 1993
DDR-Justiz, NS-Verbrechen Vol. IV, XIX, XXI, XXII
Bednarz, Wladyslaw. Oboz stracen w Chelmnie nad Nerem , Warszawa, 1946
Gulczynski, Janusz. Oboz smierci w Chelmnie nad Nerem, Konin, 1991
Dreßen, Willi; Klee, Ernst; Riess, Volker; eds. Schöne Zeiten - Judenmord aus der Sicht der Täter und Gaffer, S. Fischer Verlag, Frankfurt/M., 1988
www.shtetlinks.jewishgen.org/belchatow/

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