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Die Besetzung Osteuropas

Letztes Update 2. März 2006





Hitler und Himmler
Am 1. September 1939 begann die Besetzung Polens mit 1,25 Mio deutscher Soldaten. Heftige Bombenangriffe auf polnische Städte begleiteten diesen Überfall. Nach zwei Wochen war die polnische Hauptstadt besetzt. Am 17. September fielen sowjetische Truppen in die ostpolnischen Gebiete ein, gemäß des deutsch-sowjetischen Ribbentrop-Molotow Abkommens zur Aufteilung Polens (siehe Karte). Am 28. September gab sich Polen geschlagen und war kein souveräner Staat mehr.
Die westlichen und nördlichen Teile Polens fielen an das Deutsche Reich, die südlichen und östlichen Teile wurden zu einer deutschen Kolonie, unter der Bezeichnung "Generalgouvernement" (geleitet von Hans Frank). Hauptstadt des Generalgouvernements wurde Krakau.
Mehr als 2 Mio Juden lebten damals in den von Deutschland besetzten Gebieten, etwa 1,2 Mio im von der Sowjetunion annektierten Ostpolen.
Die ins Deutsche Reich integrierten Gebiete Westpolens wurden nun von einem Gauleiter regiert. Fast 1 Mio Polen wurden aus diesem Gebiet vertrieben, 400.000 Reichsdeutsche und 600.000 Deutsche aus Osteuropa wurden angesiedelt. Nach dem Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941 fielen auch die ostpolnischen Gebiete in deutsche Hände. Der südöstliche Teil Polens, ("Distrikt Galizien") wurde an das Generalgouvernement angeschlossen.

Besatzungstruppen 1939
Orientierung
Ziel der deutschen Besatzungspolitik war die Zerstörung der polnischen Nation, die Schaffung eines neuen Lebensraums für Deutsche, die Ausbeutung der materiellen Reserven Polens, die Maximierung polnischer Arbeitskraft in Form von Zwangsarbeit und die Liquidierung der politischen, religiösen und intellektuellen polnischen Führungsschicht. Im "Unternehmen Tannenberg" wurden daher im September und Oktober 1939 bei ca. 760 Exekutionen etwa 20.000 Angehörige der polnischen Intelligenz durch Einsatzkommandos liquidiert. Vertreibung und Mord wurden zur Normalität. Leute wurden bei sogenannten Lapankas zusammengetrieben und entweder zur Zwangsarbeit oder nach Auschwitz geschickt. Polnische Ausweise wurden durch "Kennkarten" ersetzt, deren Beantragung die eidesstattliche Versicherung erforderte, kein Jude zu sein. Manche Polen wurden als Geiseln genommen und z.B. ins Pawiak Gefängnis in Warschau verschleppt und später erschossen. Manchmal wurden Leute eingekesselt und auf der Stelle von Erschießungskommandos ermordet. Letztendlich hatte die "Neue Ordnung" den Tod von 20% der Bevölkerung zur Folge, gestorben in Polen oder im "Reich". Während der Besatzungszeit kämpften viele Polen in Widerstandsorganisationen und schlossen sich bei Kriegsende den alliierten Streitkräften an.

Die polnischen Juden hatten keine Chance zu fliehen. Schon im September 1939 hatte Reinhard Heydrich, Chef der Sipo (Sicherheitspolizei), SD (Sicherheitsdienst der SS) und später des RSHA (Reichssicherheitshauptamt), Befehl gegeben zur Konzentration der Juden in größeren Städten in der Nähe von Eisenbahnlinien.
Im November 1939 befahl Hans Frank, in jeder Gemeinde einen Judenrat einzurichten und dass alle Juden über 10 Jahre eine Armbinde zu tragen hätten. Der Judenrat sollte als Verbindungsorgan dienen zwischen Nazis und Juden. Er wurde gezwungen, Listen anzufertigen von jüdischen Einwohnern jeder Gemeinde, eine jüdische Polizei aufzustellen und Arbeit, Unterbringung und Gesundheitswesen zu regeln. Noch vor dem Überfall auf die Sowjetunion verloren Juden ihre Arbeit und wurden Zwangsarbeiter. Man zwang die Juden zur Angabe ihres Vermögens. Jüdische Häuser, Werkstätten und Fabriken wurden enteignet. Vom kleinsten Stetl bis zur Großstadt wurde das jüdische Leben zerstört. Bis zum Frühjahr 1941 wurden ca. 200 Zwangsarbeitslager für Juden eingerichtet. Die Todesrate in diesen Lagern war sehr hoch, verursacht durch unmenschliche Lebensbedingungen.

Propagandapostkarte
Propagandapostkarte
Die Nazis versuchten, alle Juden in Ghettos zu konzentrieren, zur Erleichterung der "Endlösung der Judenfrage". Bereits im Oktober 1939 wurden die ersten Ghettos eingerichtet. Dort war die Todesrate durch Hunger und Seuchen hoch.

Mit Beginn des Angriffs auf die Sowjetunion begann auch die physische Vernichtung der Juden. Vier "Einsatzgruppen" wurden geschaffen. Diese mörderischen Einheiten folgten der vorrückenden Wehrmacht und töteten Kommunisten, Partisanen und Juden. Bis zum Frühjahr 1943 hatten die Einsatzgruppen ca. 1,2 Mio Juden und einige hunderttausend russischer Bürger getötet.
Normalerweise wurden die Opfer an einsamen Stellen erschossen und die Leichen eilig verscharrt. Viele der Täter hielten die Erschießungen unschuldiger, nackter Männer, Frauen und Kinder seelisch kaum aus. Deshalb beauftragte Heinrich Himmler das RSHA, eine bessere Methode zu finden. Dies führte direkt zur Entwicklung von Speziallastwagen, in deren luftdichten Laderäumen die Opfer durch Auspuffabgase getötet wurden. 15 dieser Gaswagen wurden an die Einsatzgruppen geliefert.
Diese Speziallastwagen wurden auch in Chelmno eingesetzt (Dezember 1941). Hier kamen 250.000-300.000 Juden aus dem "Warthegau" und dem Ghetto Lodz in Gaswagen um, unter ihnen etwa 10.000 Juden aus Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei.

Um eine noch schnellere Vernichtung der polnischen Juden zu erreichen, errichtete man schließlich fünf Vernichtungslager mit stationären Gaskammern: Auschwitz-Birkenau in der Nähe von Krakau, Belzec, Sobibor, Treblinka und Majdanek im Generalgouvernement.
Die festen Gaskammern waren eine konsequente Folge der kleinen Gaskammern in den Euthanasie-Anstalten und den Gaswagen von Chelmno.

Hunderte von Zügen, gestellt von der Deutschen Reichsbahn, brachten die europäischen Juden nach diesen Vernichtungslagern; oft nicht direkt, sondern über sogenannte Transitghettos, wo die Opfer vorübergehend gesammelt wurden bis ein Vernichtungslager wieder freie "Kapazitäten" hatte.

Jüdisches Mädchen in Zwolen 1939
Fast jeder, der in Belzec, Sobibor, Treblinka und Chelmno ankam, war zum Tode innerhalb weniger Stunden bestimmt. In Auschwitz-Birkenau, Majdanek und Sobibor selektierte man die Ankömmlinge für den sofortigen Tod in den Gaskammern oder die Zwangsarbeit, was letztlich dasselbe bedeutete. Deshalb wurden etliche Baracken für Zwangsarbeiter in Auschwitz-Birkenau und Majdanek gebaut, sowie in den Lagern der Wasserwirtschaftsinspektion in der Umgebung von Sobibor.

Deutsche Fabrikbesitzer, auch Wehrmacht und SS, profitierten von den jüdischen Zwangsarbeitern. Wegen des Arbeitskräftemangels willigte Hitler ein, dass kräftige jüdische Arbeitskräfte für eine gewisse Zeit im Generalgouvernement verbleiben konnten, allerdings nur in Lagern oder Betrieben der SS. In Übereinstimmung hiermit wurden die großen Zwangsarbeitslager Poniatowa und Trawniki in der Nähe von Lublin, Plaszow bei Krakau und Janowska bei Lviv (Lwow / Lemberg) errichtet.
In den Vernichtungslagern und KZs Majdanek bei Lublin und Auschwitz bei Krakau wurden die neu ankommenden Opfer in zwei Gruppen selektiert: Arbeitsfähige und Unfähige. Die Arbeitsunfähigen wurden sofort in die Gaskammern geführt. Die anderen wurden unter unmenschlichen Bedingungen in Baracken eingepfercht und systematisch durch Zwangsarbeit und mangelernährung umgebracht, viele auch durch Ermordung wegen belangloser Taten. Aufgrund des ständig fortschreitenden körperlichen Verfalls waren die Zwangsarbeiter auch permanenten Selektionen für die Gaskammern ausgeliefert.

Zwei Aufstände von Widerstandsorganisationen fanden in Warschau statt: Der jüdische Warschauer Ghettoaufstand vom 19. April bis zum 16. Mai 1943, und der polnische Aufstand durch die Armia Krajowa ("Heimatarmee"), der vom 1. August bis zum 2. Oktober 1944 dauerte. Hierbei waren die sowjetischen Streitkräfte bereits am Stadtrand, doch mangels materieller Unterstützung hatte der polnische Widerstand keine Chance gegen die schwerbewaffneten deutschen Truppen. Nach der endgültigen Vernichtung des polnischen Widerstandes befahl Hitler die Zerstörung der gesamten Stadt. Die Bevölkerung musste Warschau verlassen, und deutsche Truppen begannen das Zerstörungswerk, das bis zum Dezember 1944 dauerte. Mehr als 200.000 Warschauer starben infolge des Aufstandes, 700.000 Menschen wurden aus der Stadt vertrieben, etliche Kunstschätze wurden geraubt bzw. sind seitdem verschollen.

Die letzten Besatzungstruppen verließen Polen im Frühjahr 1945. Keine andere Nation litt so schwer unter der Naziherrschaft. Der Sieg über die Nazis brachte allerdings nicht die erhoffte langfristige Befreiung, denn Polen wurde nun von der Sowjetunion unterdrückt, bis in die 80er Jahre des 20.Jahrhunderts.

Siehe unsere Seiten über Zwolen, eine ganz normale Stadt im ehemaligen Generalgouvernement, zwischen Radom und Pulawy gelegen. Die Geschichte dieser Stadt steht für alle anderen polnischen Städte und zeigt, dass sich der Naziterror überall in gleicher Weise auswirkte.

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