ARC Main Page Die Besetzung Osteuropas Aktion Erntefest

Budzyn

Letztes Update 28. Mai 2006





Camp Map
Lagerkarte
Budzyn liegt 5 km nordwestlich von Krasnik, im Distrikt Lublin. Zwischen 1937 und 38 wurde hier ein militärisch-industrieller Komplex auf dem Gelände einer ehemaligen Munitionsfabrik errichtet. Im Zuge der Besetzung Polens wurden die meisten Einrichtungen von dem deutschen Staatsunternehmen Hermann Göring Werke übernommen. Dieser Konzern unterhielt eine breite Palette von Unternehmen der Schwerindustrie, auch in den besetzten Ländern. Die Flugzeugfabrik ging nun auf in den Heinkel Flugzeugwerken.

Im Herbst 1942 wurde ein Zwangsarbeitslager in Budzyn eingerichtet. Anfang November 1942 brachte man 500 Juden aus benachbarten Orten dorthin, vorwiegend aus Krasnik. Das dortige Ghetto wurde zu dieser Zeit liquidiert, und mehrere tausend Juden nach Belzec geschickt oder auf dem örtlichen Judenfriedhof erschossen. Die für Budzyn bestimmten Zwangsarbeiter selektierte man aus den Transporten, die nach Belzec gingen. Zur selben Zeit, im Herbst 1942, trafen 400 jüdische Kriegsgefangene aus dem Konskowola Lager und dem Lager Lipowa Straße (in Lublin) in Budzyn ein. Diese Männer wurden von der SS als Funktionshäftlinge einsgesetzt. Im Lager trugen sie ihre Uniformen der polnischen Armee.
Brief aus Belzyce
Anfang 1943 wurden die letzten Juden aus dem Ghetto Belzyce nach Budzyn deportiert, unter ihnen auch die noch verbliebenen Frauen und Kinder. Dieser Gruppe gehörten auch deutsche Juden an, die 1940 von Stettin und 1942 von Leipzig nach Belzyce verschleppt worden waren.
Ende April und Anfang Mai 1943 trafen 800 Juden aus dem Ghetto Warschau in Budzyn ein. Etwa 150 von ihnen waren bis zum Ghettoaufstand auf dem Okecie Flugplatz eingesetzt.
Die letzte Gruppe von Gefangenen wurden am 10. Juli 1943 nach Budzyn deportiert. Diese Menschen waren die letzten Überlebenden des Ghettos in Hrubieszow.

Mitte 1943 war die Zahl der Gefangenen in Budzyn auf 3.000 gestiegen, darunter 300 Frauen und Kinder. Ein Bericht der polnischen Heimatarmee (AK - Armia Krajowa) nennt die Zahl von 2.457 Juden im März 1944, inclusive 319 Frauen. Die geringere Zahl von Gefangenen ergibt sich aus zahlreichen Exekutionen und Selektionen.

Der erste Kommandant von Budzyn war SS-Unterscharführer Otto Hantke, gefolgt von SS-Oberscharführer Heinrich Stoschek.
Vor seiner Tätigkeit in Budzyn war Hantke im Lager Lipowa Straße in Lublin. Odilo Globocnik betrachtete ihn als "guten Organisator" und schickte ihn persönlich nach Krasnik, um das dortige Ghetto aufzulösen.
Hantke war verantwortlich für mehrere Selektionen, sowohl im Ghetto Krasnik als auch im Lager Budzyn.
Der dritte Kommandant von Budzyn war SS-Oberscharführer Reinhold Feix, der das Lager von Dezember 1942 bis August 1943 leitete. Otto Mohr löste ihn ab, allerdings nur für kurze Zeit. Bereits im Spätsommer 1943 übernahm Fritz Tauscher das Kommando. Dieser wurde ersetzt durch einen SS-Mann namens Frank. Dieser verhinderte auf gnadenlose Weise einen Massenausbruch von Gefangenen im Winter 1943. Der letzte Kommandant war SS-Obersturmführer Josef Leipold.

Im Februar 1944 wurde Budzyn Nebenlager des KZ Majdanek. Das SS-Lagerpersonal bestand aus 74 Männern, die vorher in Majdanek eingesetzt waren (Leipold ebenfalls). Neben seiner Tätigkeit als Lagerkommandant leitete Leipold gegen Kriegsende auch das Schindler-Lager in Brünnlitz. Unter den Gefangenen ging das Gerücht, dass Leipold sich selbst in den Fuß geschossen hat, um nicht letzten Endes an die Front geschickt zu werden.

Feix und Tauscher waren auch in Belzec eingesetzt. Feix war einer der brutalsten SS-Männer sowohl in Belzec als auch in Budzyn. Im März 1943 nahm er an der Auflösung des Ghettos in Belzyce teil. Hierbei wurden viele Kinder und Frauen in aller Öffentlichkeit ermordet. Unter der Leitung von Feix enthaupteten hier ukrainische SS-Männer aus Budzyn viele Juden mit Äxten. Die SS zwang eine Reihe von Juden, diesem Morden zuzuschauen. Später schickte man diese Augenzeugen nach Budzyn.
Feix organisierte auch "öffentliche" Massenexekutionen im Lager Budzyn. Diejenigen Gefangenen, die aller möglichen Vergehen gegen die Lagerregeln beschuldigt waren, wurden während der abendlichen Appelle auf dem Appellplatz oder hinter dem Lagerzaun gehängt oder erschossen. Nach jeder Hinrichtung mussten die Gefangenen jüdische Lieder oder das polnische Lied "Marianna" singen. Die Leichen verbrannte man an Ort und Stelle, meist gleich hinter dem Lagerzaun.
Feix betrachtete den 6-7 Jahre alten jüdischen Jungen "Malpe" (von den Lagerinsassen auch "Ape" oder "Borscht" genannt) als sein persönliches Maskottchen. Dieser trug eine SS-Uniform und eine Peitsche, und musste dem Kommandanten assistieren.

Die Ermordung von Rudolf Bauchwitz, einem deutschen Juden aus Stettin, der vom Belzyce Ghetto eingeliefert worden war, war eines der besonders traurigen Ereignisse. Er hatte als deutscher Leutnant am 1.Weltkrieg teil genommen, hatte Deutsch als Muttersprache, war gebildet und diszipliniert und sowohl bei den Lagerinsassen als auch einigen SS-Männern beliebt. Er war auf Grund seiner Fähigkeiten in der Lagerverwaltung eingesetzt. Seine Frau und sein Sohn befanden sich ebenfalls im Lager. Eines Tages befahl Feix, ihn öffentlich zu hängen. Warum, wusste niemand. Die Häftlinge waren sich aber sicher, dass Bauchwitz zu viel über die Machenschaften der SS wusste und Feix ihn auch beseitigen wollte weil er nicht der Nazi-Vorstellung eines typischen Juden entsprach.

Budzyn
Im Prozess gegen Adolf Eichmann beschrieb ein Überlebender aus Budzyn, Dr. David Wdowinski, wie er im Mai 1943 vom Warschauer Ghetto nach Majdanek deportiert worden war. Nach kurzem Aufenthalt wurde er zusammen mit 806 Juden nach Budzyn gebracht. Er beschrieb auch die Ankunft in Budzyn:
"In ca. 1 km Entfernung sahen wir das Lager Budzyn, ein echtes SS-Lager, ein eingezäuntes Rechteck mit vier Wachtürmen, einen an jeder Ecke. Ukrainische Wachposten standen darauf, Maschinengewehre waren installiert. Direkt vor uns war das Lagertor. Rechts von uns ein Wachhäuschen, auf der anderen Straßenseite Gebüsch und eine Gruppe junger Kiefern. Das war der letzte Grenzstein der Freiheit. Noch waren wir außerhalb des Tores.
Hinter dem Stacheldraht ein großer Platz und eine Reihe Baracken. Das Lager war nicht größer als ein Fußballplatz, umgeben von offenem Gelände und weiter weg einem Kiefernwald.
Kommandant Feiks (Feix) befahl uns, in zwei Reihen zu stehen. Dann ging er auf einen Juden zu und befahl ihm hervor zu treten und sich auszuziehen. Dieser folgte dem Befehl und zog seinen Mantel aus. Feiks begann zu schreien: "Beeilung! Ganz ausziehen!" Dies zog sich hin, bis der Mann vollständig nackt war. Dann zog Feiks seinen Revolver (Pistole?), erschoss den Mann und sagte: "Das wird mit jedem von Euch gemacht, wenn Ihr nicht alles, was Ihr habt, abliefert. Und dies ist nur ein Beispiel!" Er verlangte Gold, Silber, wertvolle Kleidung, Koffer und so...
Am selben Tag sah er einen älteren Mann. Feiks zu dem Mann: "Du alter Hund, bist Du noch am Leben?" Dann befahl er den Ukrainern, den Mann zu erschießen und ging weiter. Wir umringten den Mann und die Ukrainer konnten ihn nicht finden. Eine halbe oder eine Stunde später kam der Kommandant zufällig zurück und sah den alten Mann. Er zog den Revolver und erschoss ihn. Er war ein bekannter Doktor aus Warschau, beliebt und anerkannt von den dortigen Juden - Dr. Pupko. Bekannt, weil er ein orthodoxer Jude war: Er betete täglich, den Gebetsriemen und den Gebetsschal tragend, und er schrieb keine Rezepte am Sabbat. Er hatte ein Herz für arme Juden, er behandelte sie kostenlos.
"

Wdowinski beschrieb auch einen anderen Vorfall, der einen Gefangenen namens Bitter betraf, der mit Geld erwischt worden war. Feix verprügelte ihn und befahl, dass er gehängt werden sollte. Das Seil riss aber, und Feiks war der Meinung, dass es nicht nötig war, den Mann erneut zu hängen. Weil eine Kugel Verschwendung sei, befahl er den Kameraden von Bitter, diesen umzubringen. Ein Appell wurde angeordnet. Jedem der 2.000 Juden wurde ein Stock gegeben und befohlen, Bitter zu Tode zu prügeln.

Im August 1943 wurden 200 Gefangene, die man als krank oder arbeitsunfähig eingestuft hatte, nach Majdanek zur Tötung geschickt. Im Herbst 1942 wurden etwa 100 kranke und ältere Juden nach Belzec deportiert. Viele Gefangene starben allerdings bereits im Lager Budzyn: an Hunger, Krankheiten oder infolge von Misshandlungen.

Entsprechend einem Befehl Oswald Pohls vom 2. September 1943 sollten alle Arbeitslager im Distrikt Lublin ab 1. November 1943 dem Rüstungsministerium unterstellt werden. Um dies zu vermeiden und die Kontrolle über die Lager nicht zu verlieren, deklarierte die SS die Arbeitslager zu Nebenlagern des KZ Majdanek. Möglicherweise wurde deshalb Budzyn am 13. Februar 1944 zu einem KZ erklärt und Majdanek angegliedert.

Im November 1943 wurden alle Arbeitslager im Distrikt Lublin im Rahmen der Aktion Erntefest liquidiert. Nur die Zwangsarbeiter der Heinkel Flugzeugwerke in Budzyn wurden von der Mordaktion ausgenommen wegen der kriegswichtigen Produktion. Aber auch dort entledigte man sich der meist älteren Menschen, die nach einer Selektion nach Majdanek geschickt wurden und dort umgebracht wurden. Einer der Budzynjuden, Jacob Katz, rettete das Leben von sieben älteren Juden, indem er sie unter Matratzen versteckte.

Nachdem Budzyn Majdanek unterstellt worden war, besserten sich die Lebensbedingungen etwas. Alle Gefangenen wurden vom alten Lager in neue Baracken gebracht, die näher an der Fabrik lagen. Sie trugen nun Gefangenenkleidung aus Majdanek und erhielten Nummern. Sämtliche Exekutionen, nun weniger als 1943, durften nur noch in Übereinstimmung mit den KZ-Vorschriften erfolgen. Sogar das Essen war nun besser als vorher.
Obwohl noch schlimm genug, waren die Bedingungen in Budzyn nun erträglicher im Vergleich zu anderen Zwangsarbeitslagern. Dies wurde bewirkt von den Bemühungen des Noah Stockman aus Brest-Litowsk. Er war Lagerältester, der es sogar erreichte, dass das jüdische Passah-Fest im Frühjahr 1944 im Lager gefeiert werden konnte.

Im Mai 1944 erreichte die Rote Armee den Distrikt Lublin. Die Einrichtung der Werkstätten und etliche Arbeiter wurden nach dem Salzbergwerk Wieliczka ausgelagert. Die anderen Gefangenen wurden auf die Lager Skarzysko-Kamienna, Starachowice, Mielec, Ostrowiec und Majdanek verteilt.
Unter denjenigen, die nach Mielec gebracht wurden, befand sich Manfred Heyman, in Stettin geboren. Von dort wurde er im Februar 1940 nach dem Ghetto Belzyce deportiert. Mit 14 traf er schließlich im Lager Budzyn ein. Gegen Kriegsende wurde er deportiert nach einer anderen Flugzeugfabrik, die mit dem KZ Flossenbürg verbunden war. Er überlebte den Todesmarsch von dem KZ und wurde am 29. April 1945 von US-Truppen befreit.

Verfahren:
Hamburg, 1974
Hantke, Otto - Lebenslänglich
Mic., Georg - 12 Jahre
Polizei SSPF Lublin, Haftstättenpersonal ZAL Budzyn
Deportation von mindestens 300.000 Juden ins KL Treblinka und Erschießung von mehreren tausend Juden bei der Liquidierung des Warschauer Ghettos. Deportation von mindestens 15.000 Juden in die KL Treblinka und Auschwitz sowie in Zwangsarbeitslager im Distrikt Lublin bei der Räumung des Ghettos von Bialystok. Tötung jüdischer Zwangsarbeiter im ZAL Budzyn sowie in Krasnik.

Quellen:

Gutman, Israel, ed. Encyclopedia of the Holocaust, Macmillan Publishing Company, New York, 1990
Hilberg, Raul. The Destruction of the European Jews, Yale University Press, New Haven, 2003
Gilbert, Martin. The Holocaust – The Jewish Tragedy, William Collins Sons & Co. Limited, London, 1986
Gilbert, Martin. The Boys – Triumph Over Adversity, Weidenfeld & Nicolson, London, 1996
Marszalek, Josef. Majdanek – The Concentration Camp in Lublin, Interpress, Warsaw 1986
Marszalek, Jozef. Obozy pracy w Generalnym Gubernatorstwie w latach 1939-1945 (The Work Camps in Generalgouvernement in the years 1939-1945). Lublin 1998.
Topas, George. Iron Furnace – A Holocaust Survivor's Story, The University Press of Kentucky, 1990
Wyszogrod, Morris. A Brush with Death. An Artist in the Death Camps. New York 1999
Orenstein, Harry. I Shall Live. Surviving the Holocaust 1939-1945. Oxford University Press 1988
Archive of the Majdanek State Museum, Collection of the Jewish testimonies.
www.clab.com.pl./regionalista/budzyn.htm
www.nizkor.org/hweb/people/eichmann-adolf/transcripts/sessions/session-067-05.html


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