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Lagerkarte |
Budzyn liegt 5 km nordwestlich von
Krasnik, im Distrikt Lublin.
Zwischen 1937 und 38 wurde hier ein militärisch-industrieller Komplex
auf dem Gelände
einer ehemaligen Munitionsfabrik errichtet. Im Zuge der Besetzung Polens wurden die meisten Einrichtungen
von dem deutschen Staatsunternehmen
Hermann Göring Werke übernommen. Dieser Konzern
unterhielt eine breite Palette von Unternehmen der Schwerindustrie, auch in den besetzten Ländern.
Die Flugzeugfabrik ging nun auf in den
Heinkel Flugzeugwerken.
Im
Herbst 1942 wurde ein Zwangsarbeitslager in Budzyn eingerichtet.
Anfang November 1942 brachte man 500 Juden
aus benachbarten Orten dorthin, vorwiegend aus
Krasnik. Das dortige Ghetto
wurde zu dieser Zeit liquidiert, und mehrere tausend Juden nach
Belzec
geschickt oder auf dem örtlichen Judenfriedhof erschossen. Die für Budzyn bestimmten Zwangsarbeiter
selektierte man aus den Transporten, die nach
Belzec gingen. Zur selben Zeit,
im
Herbst 1942, trafen 400 jüdische Kriegsgefangene aus dem
Konskowola Lager und dem
Lager Lipowa Straße (in
Lublin)
in Budzyn ein. Diese Männer wurden von der SS als Funktionshäftlinge einsgesetzt. Im Lager trugen sie ihre
Uniformen der polnischen Armee.
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Brief aus Belzyce |
Anfang 1943 wurden die letzten Juden aus dem
Ghetto
Belzyce nach Budzyn
deportiert, unter ihnen auch die noch verbliebenen Frauen und Kinder. Dieser Gruppe gehörten auch
deutsche Juden an, die
1940 von
Stettin und
1942 von
Leipzig nach
Belzyce verschleppt worden waren.
Ende April und
Anfang Mai 1943 trafen 800 Juden aus dem
Ghetto Warschau in Budzyn ein. Etwa
150 von ihnen waren bis zum Ghettoaufstand auf dem
Okecie Flugplatz eingesetzt.
Die letzte Gruppe von Gefangenen wurden am
10. Juli 1943 nach Budzyn
deportiert. Diese Menschen waren die letzten
Überlebenden des Ghettos in
Hrubieszow.
Mitte 1943 war die Zahl der Gefangenen in Budzyn auf 3.000 gestiegen,
darunter 300 Frauen und Kinder. Ein Bericht
der polnischen Heimatarmee (AK - Armia Krajowa) nennt die Zahl von 2.457 Juden im
März 1944, inclusive 319
Frauen. Die geringere Zahl von Gefangenen ergibt sich aus zahlreichen Exekutionen und Selektionen.
Der erste Kommandant von Budzyn war SS-Unterscharführer
Otto Hantke,
gefolgt von SS-Oberscharführer
Heinrich Stoschek.
Vor seiner Tätigkeit in Budzyn war
Hantke im
Lager Lipowa Straße in
Lublin.
Odilo Globocnik betrachtete ihn als "guten Organisator" und
schickte ihn persönlich nach
Krasnik, um das dortige Ghetto aufzulösen.
Hantke war verantwortlich für mehrere Selektionen, sowohl im
Ghetto Krasnik als auch im Lager Budzyn.
Der dritte Kommandant von Budzyn war SS-Oberscharführer
Reinhold Feix,
der das Lager von
Dezember 1942 bis August 1943 leitete.
Otto Mohr löste ihn
ab, allerdings nur für kurze Zeit. Bereits im
Spätsommer 1943
übernahm
Fritz
Tauscher das Kommando. Dieser wurde ersetzt durch einen SS-Mann namens
Frank. Dieser verhinderte auf gnadenlose Weise einen Massenausbruch von
Gefangenen im
Winter 1943. Der letzte Kommandant war
SS-Obersturmführer
Josef Leipold.
Im
Februar 1944 wurde Budzyn Nebenlager des
KZ Majdanek. Das SS-Lagerpersonal
bestand aus 74 Männern, die vorher in
Majdanek eingesetzt waren
(
Leipold ebenfalls). Neben seiner Tätigkeit als Lagerkommandant leitete
Leipold gegen Kriegsende auch das
Schindler-Lager in
Brünnlitz.
Unter den Gefangenen ging das Gerücht, dass
Leipold sich selbst in den
Fuß geschossen hat, um nicht letzten Endes an die Front geschickt zu werden.
Feix und
Tauscher waren auch in
Belzec eingesetzt.
Feix war einer der
brutalsten SS-Männer sowohl in
Belzec als auch in Budzyn.
Im
März 1943 nahm er an der Auflösung des Ghettos
in
Belzyce teil.
Hierbei wurden viele Kinder und Frauen in aller Öffentlichkeit ermordet. Unter der Leitung von
Feix enthaupteten hier ukrainische SS-Männer aus Budzyn viele Juden
mit Äxten. Die SS zwang eine Reihe von Juden, diesem Morden zuzuschauen. Später schickte man diese
Augenzeugen nach Budzyn.
Feix organisierte auch "öffentliche" Massenexekutionen im Lager Budzyn.
Diejenigen Gefangenen, die aller möglichen Vergehen gegen die Lagerregeln beschuldigt waren, wurden
während der abendlichen Appelle auf dem Appellplatz oder hinter dem Lagerzaun gehängt oder erschossen.
Nach jeder Hinrichtung mussten die Gefangenen jüdische Lieder oder das polnische Lied "Marianna" singen.
Die Leichen verbrannte man an Ort und Stelle, meist gleich hinter dem Lagerzaun.
Feix betrachtete den 6-7 Jahre alten jüdischen Jungen
"Malpe" (von den Lagerinsassen auch
"Ape"
oder
"Borscht" genannt) als sein persönliches Maskottchen. Dieser trug
eine SS-Uniform und eine Peitsche, und musste dem Kommandanten assistieren.
Die Ermordung von
Rudolf Bauchwitz, einem deutschen Juden aus
Stettin, der vom
Belzyce Ghetto
eingeliefert worden war, war eines der besonders traurigen Ereignisse. Er hatte als deutscher Leutnant am
1.Weltkrieg teil genommen, hatte Deutsch als Muttersprache, war gebildet und diszipliniert und sowohl bei den
Lagerinsassen als auch einigen SS-Männern beliebt. Er war auf Grund seiner Fähigkeiten in der
Lagerverwaltung eingesetzt. Seine Frau und sein Sohn befanden sich ebenfalls im Lager.
Eines Tages befahl
Feix, ihn öffentlich zu hängen. Warum, wusste
niemand. Die Häftlinge waren sich aber sicher, dass
Bauchwitz zu viel
über die Machenschaften der SS wusste und
Feix ihn auch beseitigen wollte
weil er nicht der Nazi-Vorstellung eines typischen Juden entsprach.
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Budzyn |
Im Prozess gegen
Adolf Eichmann beschrieb ein
Überlebender aus Budzyn,
Dr.
David Wdowinski, wie er im
Mai 1943 vom
Warschauer Ghetto nach
Majdanek
deportiert worden war. Nach kurzem Aufenthalt wurde er zusammen mit 806 Juden nach Budzyn gebracht. Er beschrieb
auch die Ankunft in Budzyn:
"
In ca. 1 km Entfernung sahen wir das Lager Budzyn, ein echtes SS-Lager, ein eingezäuntes
Rechteck mit vier Wachtürmen, einen an jeder Ecke. Ukrainische Wachposten standen darauf, Maschinengewehre
waren installiert. Direkt vor uns war das Lagertor. Rechts von uns ein Wachhäuschen, auf der anderen
Straßenseite Gebüsch und eine Gruppe junger Kiefern. Das war der letzte Grenzstein der Freiheit. Noch waren
wir außerhalb des Tores.
Hinter dem Stacheldraht ein großer Platz und eine Reihe Baracken. Das Lager war nicht größer als
ein Fußballplatz, umgeben von offenem Gelände und weiter weg einem Kiefernwald.
Kommandant Feiks (Feix) befahl uns, in zwei Reihen zu stehen. Dann ging er
auf einen Juden
zu und befahl ihm hervor zu treten und sich auszuziehen. Dieser folgte dem Befehl und zog seinen Mantel aus.
Feiks begann zu schreien: "Beeilung! Ganz ausziehen!" Dies zog sich hin, bis der Mann
vollständig nackt war. Dann zog Feiks seinen Revolver (Pistole?), erschoss
den Mann
und sagte: "Das wird mit jedem von Euch gemacht, wenn Ihr nicht alles, was Ihr habt, abliefert. Und dies ist nur ein
Beispiel!" Er verlangte Gold, Silber, wertvolle Kleidung, Koffer und so...
Am selben Tag sah er einen älteren Mann. Feiks zu dem Mann: "Du alter Hund,
bist Du
noch am Leben?" Dann befahl er den Ukrainern, den Mann zu erschießen und ging weiter. Wir umringten den Mann
und die Ukrainer konnten ihn nicht finden. Eine halbe oder eine Stunde später kam der Kommandant zufällig
zurück und sah den alten Mann. Er zog den Revolver und erschoss ihn. Er war ein bekannter Doktor aus
Warschau, beliebt und anerkannt von den dortigen Juden - Dr.
Pupko. Bekannt, weil er ein orthodoxer Jude war: Er betete täglich, den
Gebetsriemen und den Gebetsschal tragend, und er schrieb keine Rezepte am Sabbat. Er hatte ein Herz für arme
Juden, er behandelte sie kostenlos."
Wdowinski beschrieb auch einen anderen Vorfall, der einen Gefangenen namens
Bitter betraf, der mit Geld erwischt worden war.
Feix verprügelte ihn und befahl, dass er gehängt werden sollte.
Das Seil riss aber, und
Feiks war der Meinung, dass es nicht nötig war,
den Mann erneut zu hängen. Weil eine Kugel Verschwendung sei, befahl er den Kameraden von
Bitter, diesen umzubringen. Ein Appell wurde angeordnet. Jedem der 2.000
Juden wurde ein Stock gegeben und befohlen,
Bitter zu Tode zu prügeln.
Im
August 1943 wurden 200 Gefangene, die man als krank oder arbeitsunfähig
eingestuft hatte,
nach
Majdanek zur Tötung geschickt. Im
Herbst 1942 wurden etwa 100
kranke und ältere Juden nach
Belzec deportiert. Viele Gefangene starben
allerdings bereits im Lager Budzyn: an Hunger, Krankheiten oder infolge von Misshandlungen.
Entsprechend einem Befehl
Oswald Pohls vom
2. September 1943 sollten alle
Arbeitslager im
Distrikt Lublin ab
1. November 1943
dem Rüstungsministerium
unterstellt werden. Um dies zu vermeiden und die Kontrolle über die Lager nicht zu verlieren, deklarierte die SS
die Arbeitslager zu Nebenlagern des
KZ Majdanek. Möglicherweise wurde
deshalb Budzyn am
13. Februar 1944 zu einem KZ erklärt und
Majdanek angegliedert.
Im
November 1943 wurden alle Arbeitslager im
Distrikt
Lublin
im Rahmen der
Aktion Erntefest liquidiert. Nur die Zwangsarbeiter der
Heinkel Flugzeugwerke in
Budzyn wurden von der Mordaktion ausgenommen wegen der kriegswichtigen Produktion. Aber auch dort entledigte man
sich der meist älteren Menschen, die nach einer Selektion nach
Majdanek
geschickt wurden und dort umgebracht wurden. Einer der Budzynjuden,
Jacob Katz,
rettete das Leben von sieben älteren Juden, indem er sie unter Matratzen versteckte.
Nachdem Budzyn
Majdanek unterstellt worden war, besserten sich die
Lebensbedingungen etwas. Alle Gefangenen wurden vom alten Lager in neue Baracken gebracht, die näher an
der Fabrik lagen. Sie trugen nun Gefangenenkleidung aus
Majdanek und
erhielten Nummern. Sämtliche Exekutionen, nun weniger als
1943, durften
nur noch in Übereinstimmung
mit den KZ-Vorschriften erfolgen. Sogar das Essen war nun besser als vorher.
Obwohl noch schlimm genug, waren die Bedingungen in Budzyn nun erträglicher im Vergleich zu anderen
Zwangsarbeitslagern. Dies wurde bewirkt von den Bemühungen des
Noah Stockman
aus
Brest-Litowsk. Er war Lagerältester, der es sogar erreichte, dass
das jüdische Passah-Fest im
Frühjahr 1944 im Lager gefeiert werden konnte.
Im
Mai 1944 erreichte die Rote Armee den
Distrikt
Lublin. Die Einrichtung
der Werkstätten und etliche Arbeiter wurden nach dem
Salzbergwerk Wieliczka
ausgelagert. Die anderen Gefangenen wurden auf die Lager
Skarzysko-Kamienna, Starachowice,
Mielec, Ostrowiec und
Majdanek verteilt.
Unter denjenigen, die nach
Mielec gebracht wurden, befand sich
Manfred Heyman, in
Stettin geboren. Von dort
wurde er im
Februar 1940 nach dem
Ghetto
Belzyce deportiert. Mit 14 traf er
schließlich im Lager Budzyn ein. Gegen Kriegsende wurde er deportiert nach einer anderen Flugzeugfabrik, die
mit dem
KZ Flossenbürg verbunden war. Er überlebte den Todesmarsch
von dem KZ und wurde am
29. April 1945 von US-Truppen befreit.
Verfahren:
Hamburg, 1974
Hantke, Otto - Lebenslänglich
Mic., Georg - 12 Jahre
Polizei SSPF Lublin, Haftstättenpersonal ZAL Budzyn
Deportation von mindestens 300.000 Juden ins KL Treblinka und Erschießung von mehreren
tausend Juden bei der Liquidierung des Warschauer Ghettos. Deportation von mindestens 15.000
Juden in die KL Treblinka und Auschwitz sowie in Zwangsarbeitslager im Distrikt Lublin bei der Räumung
des Ghettos von Bialystok. Tötung jüdischer Zwangsarbeiter im ZAL Budzyn
sowie in Krasnik.
Quellen:
Gutman, Israel, ed.
Encyclopedia of the Holocaust, Macmillan Publishing Company, New York, 1990
Hilberg, Raul.
The Destruction of the European Jews, Yale University Press, New Haven, 2003
Gilbert, Martin.
The Holocaust – The Jewish Tragedy, William Collins Sons & Co. Limited, London, 1986
Gilbert, Martin.
The Boys – Triumph Over Adversity, Weidenfeld & Nicolson, London, 1996
Marszalek, Josef.
Majdanek – The Concentration Camp in Lublin, Interpress, Warsaw 1986
Marszalek, Jozef.
Obozy pracy w Generalnym Gubernatorstwie w latach 1939-1945 (The
Work Camps in Generalgouvernement in the years 1939-1945). Lublin 1998.
Topas, George.
Iron Furnace – A Holocaust Survivor's Story, The University Press of Kentucky, 1990
Wyszogrod, Morris.
A Brush with Death. An Artist in the Death Camps. New York 1999
Orenstein, Harry.
I Shall Live. Surviving the Holocaust 1939-1945. Oxford University Press 1988
Archive of the Majdanek State Museum, Collection of the Jewish testimonies.
www.clab.com.pl./regionalista/budzyn.htm
www.nizkor.org/hweb/people/eichmann-adolf/transcripts/sessions/session-067-05.html
© ARC 2005