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Grafeneck


Letztes Update 25. Juni 2006





Zimmer für das T4-Personal
Am Ort einer ehemaligen mittelalterlichen Burg auf einem Berg in der Nähe von Marbach wurde zwischen 1556 und 1560 ein kleineres Schloss errichtet. Zwischen 1762 und 1772 baute Herzog Karl Eugen das Schloss im zeitgenössischen Stil um. 1929 übernahm ein Samariterstift das Gebäude um darin ein Heim für physisch und psychisch Behinderte einzurichten.

Am 24. Mai 1939 fand ein erster Besuch durch T4-Angehörige statt. Sie wollten herausfinden, ob das Gebäude für das Euthanasieprogramm geeignet ist. Am 14. Oktober wurde das Schloss von T4 konfisziert. 10 bis 15 Handwerker aus umliegenden Dörfern begannen, das Gebäude in ein Mordzentrum umzubauen.

300 m vom Schloss entfernt wurden mehrere Baracken gebaut, umgeben von einem bis zu 4m hohen Bretterzaun. Im 1. Stock des Schlosses wurden folgende Einrichtungen geschaffen: Unterkünfte und Büros für Ärzte, eine Registratur, eine Polizeistation und ein Büro bzw. Standesamt für Todesbescheinigungen, Beileidsbriefe etc. Im 2. Stock baute man Schlaf- und Wohnräume für das Personal.
Das eigentliche Mordzentrum war eine 68x7 m große Baracke mit mehreren Räumen. Im größten Raum wurden 100 Betten aufgestellt, bedeckt mit Stroh. In der hölzernen Garage waren drei große Busse für den Transport der Opfer und ein Krankenwagen untergebracht. Zwei mobile Krematoriumsöfen befanden sich in einer anderen Baracke. Später entfernte man das Dach dieser Baracke, weil die Hitzeentwicklung der im Dauerbetrieb brennenden Öfen zu groß war und sich sogar die umliegenden Bäume schwarz färbten. Die einem Duschbad nachempfundene Gaskammer konnte bis zu 75 Menschen aufnehmen.
Ein runder Pferdestall, 15 m im Durchmesser, diente möglicherweise als Lagerraum für zur Verbrennung bestimmte Leichen. Am Fuße des Berges, an der Zufahrtstraße, verwehrte ein hoher Bretterzaun und ein Wachhäuschen den Zutritt. Das gesamte Gelände wurde abgesichtert durch einen Stacheldrahtzaun und von Wachposten mit Hunden kontrolliert.

Grafeneck Essraum #1
Grafeneck Essraum #2
Mitte November 1939 trafen SS-Männer, Büropersonal und andere T4-Leute ein, Anfang Januar 1940 etwa 25 Pflegerinnen und Pfleger. Mitte Januar wurden die Öfen geliefert, so dass am 18. Januar 1940 ein erster Transport von 25 Behinderten aus Eglfing-Haar bei München unter der Leitung von Dr. Horst Schumann ermordet werden konnte. Schumann war Aktion T4 Mitglied seit Anfang Oktober 1939, nach einer Besprechung mit Viktor Brack in der Kanzlei des Führers. Ab Frühsommer 1940 wurde er versetzt an die T4-Anstalt Sonnenstein in Pirna bei Dresden. Seine Nachfolger wurden Dr. Ernst Baumhardt und schließlich Dr. Günther Hennecke.
Büroleiter in Grafeneck wurde Kriminalkommissar und SS-Obersturmführer Christian Wirth. Er überwachte auch die ersten Vergasungen. Später wurde er Inspekteur der Vernichtungslager der Aktion Reinhard.

Ein ehemaliger Pfleger beschrieb einen Transport nach Grafeneck:
"Am Abend vor dem Transport erhielten wir eine Liste mit Namen der Menschen, die abtransportiert werden sollten. Früh am Morgen kamen die Busse, deren Fenster bis oben mit grauer Farbe übermalt worden waren. Die Patienten erhielten ein Stück Papier mit einer Nummer. Dann wurden sie nacheinander registriert, und wir schrieben die Nummern mit Tinte auf ihren nackten Rücken. Sie waren ganz ruhig weil sie dachten, sie würden in eine andere Anstalt verlegt. Sie wussten nicht, was mit ihnen passieren würde. Dann wurden sie zum Bus gebracht, immer 75. Einige Wochen später wurde ihre Kleidung von Grafeneck zurück geschickt."
Quelle: Bronwyn Rebekah McFarland-Icke, "Nurses in Nazi Germany", Princeton University Press, Chichester, UK 1999, p, 219.

Das Morden dauerte bis zum 13. Dezember 1940. Nun waren entsprechend der Planung alle Behinderten aus dem Einzugsgebiet von Grafeneck getötet worden. Einige T4-Männer gingen in Urlaub, andere wurden nach Hadamar versetzt, der Rest blieb im Schloss, um alle Spuren zu verwischen.
10.824 Menschen wurden in Grafeneck vergast und anschließend verbrannt.

Von den 80-100 Angehörigen der Euthanasieaktion in Grafeneck wurden nur 8 angeklagt. Alle anderen waren unauffindbar. Der Prozess fand vom 8. Juni - 5. Juli 1949 vor dem Schwurgericht Tübingen statt. Am Ende wurden drei Angeklagte verurteilt zu Gefängnisstrafen zwischen 18 Monaten und 5 Jahren.

Diese späteren Aktion Reinhard Männer waren in Grafeneck eingesetzt: Rudolf Beckmann, Helmut Bootz, Paul Bredow, Max Bree, Kurt D., Hermann Felfe, Kurt Franz *, Karl Frenzel, Hans Girtzig, Heinrich Gley, Lorenz Hackenholt *, Fritz Konrad, Fritz Kraschewski, Willi Mentz *, Hermann Michel, August Miete, Josef Oberhauser, Karl Schluch, Erich Schulz, Hans-Heinz Schütt, Gottfried Schwarz, Heinrich Unverhau, Christian Wirth, Ernst Zierke u.a.

Die Gedenkstätte Grafeneck wurde 1990 eröffnet.

* Siehe die Franz Foto Story!
* Siehe die Hackenholt Foto Story!
* Siehe die Mentz Foto Story!
Grafeneck Gaskammer Lageplan
Grafeneck Gaskammer Lageplan


Foto: Stöckle, Thomas. Grafeneck 1940, Silberburg-Verlag, Tübingen, 2002 *

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