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Zimmer für das T4-Personal |
Am Ort einer ehemaligen mittelalterlichen Burg auf einem Berg in der Nähe von
Marbach wurde
zwischen 1556 und 1560
ein kleineres Schloss errichtet.
Zwischen 1762 und 1772
baute Herzog
Karl Eugen
das Schloss im zeitgenössischen Stil um.
1929 übernahm ein Samariterstift
das Gebäude um darin ein Heim für physisch und psychisch Behinderte einzurichten.
Am
24. Mai 1939 fand ein erster Besuch durch T4-Angehörige statt. Sie
wollten herausfinden, ob das Gebäude für das Euthanasieprogramm
geeignet ist. Am
14. Oktober wurde das Schloss von T4 konfisziert.
10 bis 15 Handwerker aus umliegenden Dörfern begannen, das Gebäude
in ein Mordzentrum umzubauen.
300 m vom Schloss entfernt wurden mehrere Baracken gebaut, umgeben
von einem bis zu 4m hohen Bretterzaun. Im 1. Stock des Schlosses
wurden folgende Einrichtungen geschaffen: Unterkünfte und Büros
für Ärzte, eine Registratur, eine Polizeistation und
ein Büro bzw. Standesamt für Todesbescheinigungen, Beileidsbriefe etc.
Im 2. Stock baute man Schlaf- und Wohnräume für das Personal.
Das eigentliche Mordzentrum war eine 68x7 m große Baracke mit mehreren Räumen.
Im größten Raum wurden 100 Betten aufgestellt, bedeckt mit Stroh.
In der hölzernen Garage waren drei große Busse für den Transport der
Opfer und ein Krankenwagen untergebracht. Zwei mobile Krematoriumsöfen
befanden sich in einer anderen Baracke. Später entfernte man das Dach dieser
Baracke, weil die Hitzeentwicklung der im Dauerbetrieb brennenden Öfen
zu groß war und sich sogar die umliegenden Bäume schwarz färbten.
Die einem Duschbad nachempfundene Gaskammer konnte bis zu 75 Menschen aufnehmen.
Ein runder Pferdestall, 15 m im Durchmesser, diente möglicherweise als
Lagerraum für zur Verbrennung bestimmte Leichen. Am Fuße des Berges, an der
Zufahrtstraße, verwehrte ein hoher Bretterzaun und ein Wachhäuschen den Zutritt.
Das gesamte Gelände wurde abgesichtert durch einen Stacheldrahtzaun und von Wachposten
mit Hunden kontrolliert.
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Grafeneck Essraum #1 |
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Grafeneck Essraum #2 |
Mitte November 1939 trafen SS-Männer,
Büropersonal und andere T4-Leute ein,
Anfang Januar 1940 etwa 25 Pflegerinnen und Pfleger.
Mitte Januar wurden die Öfen
geliefert, so dass am
18. Januar 1940 ein
erster Transport von 25 Behinderten aus
Eglfing-Haar bei
München unter der Leitung von Dr.
Horst
Schumann
ermordet werden konnte.
Schumann war Aktion T4 Mitglied seit
Anfang Oktober 1939, nach einer Besprechung mit
Viktor Brack in der
Kanzlei des Führers. Ab
Frühsommer 1940 wurde er
versetzt an die T4-Anstalt
Sonnenstein in
Pirna bei
Dresden. Seine Nachfolger wurden
Dr.
Ernst Baumhardt und schließlich Dr.
Günther Hennecke.
Büroleiter in Grafeneck wurde Kriminalkommissar und
SS-Obersturmführer
Christian Wirth. Er überwachte auch die ersten Vergasungen.
Später wurde er Inspekteur der Vernichtungslager der Aktion Reinhard.
Ein ehemaliger Pfleger beschrieb einen Transport nach Grafeneck:
"
Am Abend vor dem Transport erhielten wir eine Liste mit Namen der
Menschen, die abtransportiert werden sollten. Früh am Morgen kamen die Busse,
deren Fenster bis oben mit grauer Farbe übermalt worden waren.
Die Patienten erhielten ein Stück Papier mit einer Nummer. Dann wurden sie
nacheinander registriert, und wir schrieben die Nummern mit Tinte auf ihren nackten Rücken.
Sie waren ganz ruhig weil sie dachten, sie würden in eine andere Anstalt verlegt.
Sie wussten nicht, was mit ihnen passieren würde. Dann wurden sie zum Bus gebracht, immer
75. Einige Wochen später wurde ihre Kleidung von Grafeneck zurück geschickt."
Quelle: Bronwyn Rebekah McFarland-Icke, "Nurses in Nazi Germany",
Princeton University Press, Chichester, UK 1999, p, 219.
Das Morden dauerte bis zum
13. Dezember 1940.
Nun waren entsprechend der Planung alle
Behinderten aus dem Einzugsgebiet von Grafeneck getötet worden.
Einige T4-Männer gingen in Urlaub, andere wurden nach
Hadamar versetzt,
der Rest blieb im Schloss, um alle Spuren zu verwischen.
10.824 Menschen wurden in Grafeneck vergast und anschließend verbrannt.
Von den 80-100 Angehörigen der Euthanasieaktion in Grafeneck
wurden nur 8 angeklagt. Alle anderen waren unauffindbar.
Der Prozess fand vom
8. Juni - 5. Juli 1949 vor dem Schwurgericht
Tübingen statt. Am Ende wurden
drei Angeklagte verurteilt zu Gefängnisstrafen zwischen 18 Monaten und 5 Jahren.
Diese späteren Aktion Reinhard Männer waren in Grafeneck eingesetzt:
Rudolf Beckmann, Helmut Bootz, Paul Bredow, Max Bree, Kurt D., Hermann Felfe,
Kurt Franz *,
Karl Frenzel, Hans Girtzig, Heinrich Gley,
Lorenz Hackenholt *,
Fritz Konrad, Fritz Kraschewski,
Willi Mentz *,
Hermann Michel, August Miete, Josef Oberhauser, Karl Schluch, Erich Schulz,
Hans-Heinz Schütt, Gottfried Schwarz, Heinrich Unverhau, Christian Wirth, Ernst Zierke u.a.
Die
Gedenkstätte Grafeneck wurde
1990 eröffnet.
* Siehe die Franz Foto Story!
* Siehe die Hackenholt Foto Story!
* Siehe die Mentz Foto Story!
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Grafeneck |
Gaskammer |
Lageplan |
Foto: Stöckle, Thomas.
Grafeneck 1940, Silberburg-Verlag, Tübingen,
2002
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