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Reinhardt Heydrich

Letztes Update 12. März 2006

Heydrich
Reinhard Heydrich wurde am 7. März 1904 in Halle geboren undauf den Namen Reinhardt Eugen Tristan getauft. Sein Vorname "Reinhardt" sollte Synonym werden (neben Auschwitz) für die Deportationen, Massenerschießungen und systematische Ermordung europäischer Juden und Sinti/Roma in Belzec, Sobibor, Treblinka und Majdanek.

Die Familie Heydrich war kultiviert und fromm. Sein Vater, Bruno Richard Heydrich, ein aussergewöhnlich begabter Opernsänger und Musiker, gründete das Konservatorium in Halle. Der junge Reinhardt genoss eine Ausbildung als Pianist, was ihn lebenslang begleiten sollte.
Die Heydrichs waren fromme Katholiken unter der protestantischen Mehrheit in Halle. Sie pflegten den Lebensstil der Oberklasse und genossen einen privilegierten Status. Heydrich besuchte das Gymnasium, machte Abitur und war bestrebt, sich aufgrund seiner körperlich schwachen Verfassung sportlich zu verbessern. Das Fechten wurde sein Lieblingssport, er konnte sogar mehrere Auszeichnungen erringen. Später erlernte er auch das Fliegen.

Von seiner Jugend bis ins Erwachsenenalter wurde er konfrontiert mit Gerüchten über seine jüdische Abstammung väterlicherseits. Dies gipfelte in einer Untersuchung, 1932 angeordnet von Gregor Strasser, und angestiftet von Rudolf Jordan, dem Gauleiter von Halle-Merseburg. Die NSDAP-Zentrale in München erhielt einen Bericht. Jordan's Verdacht war in erster Linie begründet auf der Tatsache, dass der Vater, Bruno Heydrich, in "Riemanns Musikenzyklopädie von 1916" beschrieben wurde als "Heydrich, Bruno, wirklicher Name Süss". Der Bericht kam allerdings zu dem Schluss, dass der Name "Süss" nicht belastend sei und dass Bruno Heydrich's Sohn kein "jüdisches Blut" hätte.
Es gab auch Annahmen, dass jüdische Vorfahren mütterlicherseits vorhanden sein sollten. Schlüssige Beweise konnten aber nicht erbracht werden.
Heydrichs Personalakte (einschließlich des Familienstammbaums), geführt von Martin Bormann, ist erhalten geblieben. Der Stammbaum verzeichnet allerdings nur eine Generation der mütterlichen Linie und zeigt nicht Namen, Herkunft und Geburtsort der Großmutter.
Zu Beginn seiner Karriere als höherer SS-Offizier änderte Heydrich seinen Vornamen in "Reinhard" und versuchte zu vermeiden, dass sein Name mit einem "t" geschrieben wurde.

Mit 16 schloss sich Heydrich dem örtlichen "Freikorps" an und wurde stark beeinflusst von dem rassischen Fanatismus der "völkischen Bewegung" und deren Antisemitismus. Zwei Jahre später verließ er Halle um 1922 eine Karriere als Marinenachrichtenoffizier zu beginnen. 1926 wurde er Leutnant in der "Admiralstabsleitung der Marinestation Ostsee". Auf der "Braunschweig" arbeitete er unter Wilhelm Canaris. Beide freundeten sich an, wurden später aber Feinde.
Heydrichs Vorstellungen von einer Marinekarriere wurden 1931 von Admiral Erich Raeder beendet durch die Entlassung aus dem Dienst. Man warf ihm ehrwidriges Verhalten vor, weil er ein Verhältnis hatte mit der Tochter eines Werftbesitzers obwohl er verlobt war mit Lina von Osten, die er später heiratete. Trotz angeblicher Schwangerschaft weigerte er sich, die Werftbesitzerstochter zu heiraten.

Heydrich und Sohn Klaus in Monaco
Heydrich und Sohn Klaus
in Monaco
Arbeitslos und mit schlechten Optionen trat er der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 544.916). 1931, mit 27 Jahren, wurde er SS-Mann (Mitgliedsnummer 10.120). Es dauerte nicht lange, da wurde Reichsführer-SS Heinrich Himmler auf ihn aufmerksam. Heydrich erwirkte ein Gespräch über die Anstellung als Chef des SD (Sicherheitsdienst), weil Himmler gerade einen geeigneten Mann dafür suchte. Das Gespräch fand am 14. Juni 1934 statt, es dauerte 20 Minuten. Man sagt, das Gespräch hätte lediglich aus einer Frage Himmlers bestanden: Wie ein Nachrichtendienst strukturiert sein sollte? Heydrichs schneller und entschlossener Kommentar bezog sich angeblich auf seine Erfahrungen als Marinenachrichtenoffizier und seine Begeisterung für englische Spionageromane. Auf diesem Hintergrund konnte er Himmler einen Entwurf präsentieren, der auf spontane Begeisterung traf. Himmler verwechselte allerdings Heydrichs Funkerausbildung mit einer nachrichtendienstlichen Erfahrung. Heydrichs SS-Karriere konnte beginnen.

Heydrich baute den SD aus zu einem nationalen Netzwerk von Informanten. Er war nun engster Mitarbeiter Himmlers. Der SD sammelte Unterlagen über Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschaften, Industrielle und Juden; sogar über Parteigenossen und SA-Männer wurden SD-Akten angelegt.
1933, inzwischen SS-Oberführer, wurde er Chef der politischen Abteilung der Münchner Polizei. Noch im selben Jahr übernahm er die Führung der politischen Polizei von ganz Bayern.

Zusammen mit Himmler und Göring plante er 1934 den Sturz des SA-Führers Ernst Röhm, bekannt unter "Nacht der langen Messer". Von nun an stand die entmachtete SA im Schatten der SS. Heydrich wurde zum SS-Gruppenführer ernannt. Er hatte sich als rücksichtslos und kaltblütig erwiesen.

1936 wurde Heydrich Leiter der Sicherheitspolizei und des SD für das gesamte Deutsche Reich. Die politische Polizei der Länder wurde zur Geheimen Staatspolizei (Gestapo) zusammengefasst, unter seiner Führung. Er baute ein landesumfassendes, auf Terror basierendes Kontroll- und Unterdrückungssystem auf, das ihm viele Feinde bescherte. "Nacht und Nebel"-Aktionen wurden Normalität in Deutschland: Verhaftungen ohne rechtsstaatliche Grundlage wurden bereits lange vor dem 7. Dezember 1941 durchgeführt, als diese Praxis eine juristische Grundlage bekam.

Heydrich verfolgte jeden, der sich der SS entgegenstellte, ob real oder nur verdächtig. Betroffen waren z.B. Feldmarschall Werner von Blomberg und General Werner Freiherr von Fritsch. Als Hitler einen Vorwand suchte für die Invasion Polens, fand er in Heydrich den geeigneten Mann. Er organisierte den vorgetäuschten polnischen Angriff auf den deutschen Radiosender Gleiwitz (Gliwice). In polnische Uniformen gekleidete SD-Männer, geleitet von Alfred Naujocks, verübten den Angriff. Ermordete Häftlinge des KZ Sachsenhausen dienten als vorgetäuschte Opfer. Radio Köln kündigte einen Gegenschlag deutscher Polizei an. Die BBC sendete eine Erklärung:
"Es gab Berichte über einen Angriff auf den Radiosender Gleiwitz, der genau an der polnischen Grenze in Schlesien liegt. Die deutsche Nachrichtenagentur berichtet, dass der Angriff heute Abend um ca. 8 Uhr stattfand. Polen erzwangen sich den Weg ins Studio und sendeten eine Erklärung in polnisch. Es gibt Berichte, dass sie innerhalb einer Viertelstunde von deutscher Polizei überwältigt worden sind, unter Benutzung von Schusswaffen. Einige Polen wurden getötet, aber einige sind noch unbekannt."
Hitler täuschte Entrüstung vor und benutzte diesen Vorfall als Vorwand für die Invasion. Am 1. September 1939 betraten deutsche Truppen Polen. Der 2. Weltkrieg hatte begonnen.

Gegen Ende 1939 erweiterte Heydrich die Operationsbasis des SD auf internationale Spionage und Entführungen. Die "Venlo-Affäre": SD-Agenten konnten britische Agenten davon überzeugen, dass der Generalstab eine Verschwörung plante zum Sturz Hitlers. Es endete mit der Entführung von zwei britischen Agenten an der holländischen Grenze und ihrer Überstellung nach Deutschland, angeklagt als Spione. Heydrich verwertete diesen Vorfall schließlich um Hitler glauben zu lassen, es bestünde ein Zusammenhang zwischen den britischen Agenten und einem Attentatsversuch auf Hitler in München.

Heydrich in Himmlers Büro
Heydrich in Himmlers Büro
Im Zuge der Invasion Polens übernahm Heydrich die Aufgabe, alle potentiellen Gegner zu eliminieren. Zu diesem Zweck schuf er die "Einsatzgruppen": mobile, im Rücken der Front operierende Einheiten von SD und Sipo zur Bekämpfung von "Staatsfeinden" (Partisanen, Kommunisten, Parlamentsangehörige, Intellektuelle) und zur Sicherung der besetzten Gebiete. Juden befanden sich bereits unter den Opfern, als die Einsatzgruppen noch keine speziellen Befehle erhalten hatten zur "Behandlung" der jüdischen Bevölkerungsteile.
Heydrich befahl am 21. September 1939 den Kommandeuren der Einsatzgruppen unter strengster Geheimhaltung, wie sie mit der jüdischen Bevölkerung umzugehen hatten:
"Die geplanten Maßnahmen erfordern gründlichste Vorbereitung sowohl in technischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht. (...) Als erste Vorausnahme für das Endziel gilt zunächst die Konzentrierung der Juden vom Lande in die größeren Städte. Sie ist mit Beschleunigung durchzuführen. (...) Dabei ist zu beachten, dass nur solche Städte als Konzentrierungspunkte bestimmt werden, die entweder Eisenbahnknotenpunkte sind oder zum mindesten an Eisenbahnstrecken liegen. (...) In jeder jüdischen Gemeinde ist ein jüdischer Ältestenrat aufzustellen, der, soweit möglich, aus den zurückgebliebenen maßgebenden Persönlichkeiten und Rabbinern zu bilden ist. (...) Er ist im Sinne des Wortes vollverantwortlich zu machen für die exakte und termingemäße Durchführung aller ergangenen oder noch ergehenden Weisungen. (...) Die Judenräte haben eine behelfsmäßige Zählung der Juden – möglichst gegliedert nach Geschlecht (...) und nach den hauptsächlichsten Berufsschichten – in ihren örtlichen Bereichen vorzunehmen und das Ergebnis in kürzester Frist zu melden. (...) Die Konzentrierung der Juden in Städten wird wahrscheinlich aus allgemein sicherheitspolizeilichen Gründen Anordnungen in diesen Städten bedingen, daß den Juden bestimmte Stadtviertel überhaupt verboten werden, daß sie – stets jedoch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Notwendigkeiten – z. B. das Ghetto nicht verlassen, zu einer bestimmten Abendstunde nicht mehr ausgehen dürfen, usw." (W. Benz: "Der Holocaust". München 2001, S.38)

Am 27. September 1939 wurde das Reichssicherheitshauptamt geschaffen, Heydrich wurde der Chef.

Am 22. Juni 1941 begann die Invasion der Sowjetunion ("Unternehmen Barbarossa"). Nun fielen auch die dort lebenden Juden in die Hände der Einsatzgruppen, wobei der für Polen geltende Plan (Ghettoisierung, Deportationen) geändert wurde:
Im Juli 1941 wurde Heydrich von Reichsmarschall Hermann Göring bevollmächtigt, die "Endlösung der Judenfrage" durchzuführen. Hierbei taucht der Begriff "Endlösung" zum ersten Mal auf, im Zusammenhang mit dem systematischen Massenmord an den europäischen Juden.
Heydrich selbst hatte den Vorsitz der berüchtigten Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942 in Berlin. Neben den wichtigsten deutschen Staatssekretären war auch sein "Judenreferent" Adolf Eichmann anwesend, der als Sekretär fungierte. Auf dieser Konferenz sollte die Politik eingebunden werden in die längst beschlossene und begonnene Vernichtung der Juden. Konferenzprotokolle haben den Krieg überstanden und wurden verwendet im Eichmann-Prozess in Jerusalem von 1961-62.
Wesentlicher Bestandteil des Heydrich-Plans war der "Arbeitseinsatz" der Juden im Osten, die damit verbundene zwangsläufige Dezimierung sowie die Ermordung derjenigen "Reste", die diese Zwangsarbeit überleben würden.

Heydrich in Prag
Heydrich in Prag
Ende 1941 wurde Heydrich von Hitler zum "Reichsprotektor von Böhmen und Mähren ernannt", als Auszeichnung für seine "Verdienste" bei der Verfolgung und Vernichtung der Juden. Er ersetzte Baron Konstantin von Neurath. Dies war auch im Sinne Himmlers, der ihn lieber im fernen Prag als in Hitlers Nähe sah.
Assistiert von SS-Gruppenführer Karl Hermann Frank demonstrierte Heydrich der tschechischen Bevölkerung schon nach wenigen Wochen, wer die Herren sind: 200 Zivilisten wurden gehängt, tschechische Kulturvereine verboten, Verhaftungen und Exekutionen forciert und Juden nach Polen deportiert.

Während seiner Herrschaft im "Protektorat" hielt er sich für den Schirmherrn der bildenden Künste. Er gab Opern in Auftrag und finanzierte Orchesterveranstaltungen in Praha (Prag), das er als ein kulturelles Zentrum in Europa ansah. Parallel dazu ordnete er die Deportation jüdischer Bürger von Terezin (Theresienstadt) und anderen Ghettos nach Riga, Chelmno und dem gerade fertiggestellten Belzec an.

Die tschechische Exilregierung beschloss, Heydrich zu beseitigen. Die Tschechen Jan Kubis und Josef Gabcik trainierten das Attentat, wurden von England nach der Tschechei geflogen, sprangen mit Fallschirmen ab und nahmen Kontakt auf zum tschechischen Widerstand.
Untersuchungen am nächsten Tag
Untersuchungen am nächsten Tag
Sein beschädigter Wagen
Sein beschädigter Wagen
Am 27. Mai 1942 gegen 10:30 Uhr erfolgte das Attentat. Heydrich fuhr im offenen Wagen durch Praha, als die Männer angriffen. Die Maschinenpistole versagte, doch Jan Kubis warf eine Handgranate gegen den Wagen, die am Hinterrad explodierte. Kubis und Gabcik konnten fliehen. Der schwerverletzte Heydrich starb zehn Tage später an einer Infektion seiner Milz, verursacht durch das Attentat. Er hinterließ seine Frau und vier Kinder.
Himmler befahl die Absperrung der Stadt bis zur Festnahme der Männer. Die Jagd auf die Attentäter begann. Die Gestapo versprach eine Belohnung von 10.000.000 Kronen für Hinweise, die zur Festnahme der Täter führen. Kubis und Gabcik versteckten sich in der Kirche St. Cyril und Methodius in der Resslova Straße. Ihr Versteck wurde wahrscheinlich verraten, denn am 18. Juni umzingelten SS und Polizei die Kirche. In der Krypta in der Falle sitzend, verteidigten sich die beiden Männer bis zur Dämmerung. Am frühen Morgen nahmen sich Kubis und Gabcik das Leben.
Typisch für die Nazis waren die bald folgenden Vergeltungsmaßnahmen. Das gesamte Dorf Lidice, zu dem Jan Kubis angeblich eine Verbindung gehabt haben soll, wurde auf Befehl Kurt Dalueges, Chef der Orpo und stellvertretender Reichsprotektor, abgebrannt und abgerissen, alle Männer erschossen und Frauen und Kinder in KZs deportiert.

Auf der Beerdigung wurde er von Hitler und Himmler gepriesen. Ihm zu Ehren sollte ein monumentales Grab auf dem Invalidenfriedhof in Berlin errichtet werden. Dies wurde jedoch nicht realisiert, weil der Krieg nun wichtiger geworden war als Gedenkstätten.

Heydrich erlebte nicht mehr die von ihm geplante "Endlösung", doch der fast vollständigen Vernichtung des europäischen Judentums war bereits der Weg geebnet: Die Vernichtungslager Chelmno, Belzec und Sobibor waren in Betrieb, Treblinka war in der Planung.

Bis heute weiß niemand genau, wer für die Bezeichnung "Einsatz Reinhard(t)" oder "Aktion Reinhard(t)" verantwortlich war. Es kann aber vermutet werden, dass diese Begriffe für den Holocaust im "Generalgouvernement" und dem Bezirk Bialystok gewählt worden sind im Andenken an dessen Chefplaner Reinhardt Heydrich. Ein gewisser Rachegedanke muss dabei ebenfalls angenommen werden. Ähnlich verhält es sich mit der Bezeichnung "AaH" ("Attentat auf Heydrich") für den Deportationszug, der Praha am 10. Juni 1942 verließ und 1.000 Juden nach dem Osten brachte. Höchstwahrscheinlich erreichte dieser Zug Majdanek am 12. Juni. Dort wurden etwa 100 Juden für Zwangsarbeit selektiert. Nach einem weiteren grauenhaften Tag erreichte der Zug seine Endstation, das Vernichtungslager Sobibor.

Der Aktion Reinhard Chef war tot, seine Nachfolger führten seine Pläne mit Eifer und Effizienz aus. Zurück blieben Millionen ermordeter Juden und tausende Roma und Sinti.

Quellen:
MacDonald, Callum: The Killing of Reinhard Heydrich
Richard Breitman: Holocaust and Genocide Studies Volume 11
G. S. Graber: The Life and Times of Reinhard Heydrich
Ulric of England: Reinhard Heydrich Memorial Book
Cowdery and Vodenka: Reinhard Heydrich Assassination USM Incorporated, 1994
Gerald Reitlinger: The Final Solution Vallentine, Mitchell and Co ltd., 1953
Enzyklopädie des Holocaust
Wolfgang Benz: Der Holocaust

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