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Adolf Eichmann und die Aktion Reinhard

Letztes Update 7. August 2006

Biographie

Eichmann
Otto Adolf Eichmann wurde am 19. März 1906 in Solingen geboren. 1913 zog die Familie Eichmann nach Linz (Österreich), wo Eichmann ausgebildet wurde. Er verließ die Schule vorzeitig im Jahre 1921. Danach verdiente er sein Geld in diversen Stellen, vorrangig bei der Vacuum Oil Company. Auf Veranlassung eines Freundes der Familie, Ernst Kaltenbrunner, wurde er im April 1932 Mitglied des österreichischen Ablegers der NSDAP (NSDAP Nr. 899895). Als er 1933 von der Vacuum Oil Company entlassen wurde, war er bereits Mitglied in der SS (SS Nr. 45326).
Eichmann verließ Österreich und ging im August 1933 nach Deutschland, um eine militärische Ausbildung zu absolvieren. Er bewarb sich um Versetzung zum SD, was im September 1934 bewilligt wurde. Eichmann erhielt eine Stelle im SD Hauptamt in Berlin, geführt von Reinhard Heydrich.
Eichmann machte sich mit der bürokratischen Welt der Akten und Karteikarten vertraut. Er wurde ein gewissenhafter und effizienter Mitarbeiter, ständig auf der Beförderungsleiter empor klimmend. 1935 wurde er ins Referat II/112 versetzt, der Abteilung für jüdische Angelegenheiten im SD (siehe auch seinen Personalbericht von 1937). Wegen seiner erfolgreichen Arbeit in diesem Sachgebiet wurde er möglicherweise bald als Experte für jüdische Angelegenheiten im SD angesehen, weshalb er 1938 nach Wien versetzt wurde. Dort sollte er die "Aussiedlung" der österreichischen Juden organisieren. Weil er diese Aufgabe so kalt-bürokratisch und effizient bearbeitete, wurde er folgerichtig nach Prag versetzt, um dort ebenfalls die "jüdische Angelegenheit" im Sinne der Nazis zu lösen.

Eichmann 1939
Eichmann 1939
Am 27. September 1939 richtete Heinrich Himmler das RSHA ein, um die diversen Sicherheits- und Polizeidienste zusammen zu fassen zu einer Sicherheitsorganisation unter der Leitung von Heydrich. Eichmann war nun dem Chef der Gestapo, Heinrich Müller, unterstellt. Dieser machte ihn zum Leiter des Büros für jüdische Aussiedlungen aus dem Reich, von Berlin aus operierend.
Bei Kriegsbeginn überwachte Eichmann den Wechsel der deutschen Judenpolitik von der "freiwilligen" Emigration zur zwangsweisen Aussiedlung. In den Jahren 1939 und 1940 waren er und seine Mitarbeiter (u.a. Franz Novak, Rolf Günther, Dieter Wislicency, Otto Hunsche, Hermann Krumey, Theodor Dannecker und Heinz Röthke) verantwortlich für die "Aussiedlung" tausender von Juden und Polen aus dem Warthegau ins Generalgouvernement sowie der Deportation tausender Juden aus dem Reich nach Nisko in Ost-Polen. Diese Aktionen brachten erste Erfahrungen für die später folgenden Massendeportationen aus ganz Europa.

Letter
Brief vom Juni 1942
Im März 1941 wurde das RSHA umstrukturiert. Ein Ergebnis war die Einrichtung des Referates IVB4, mit Eichmann als Chef. Seine Verantwortung als Schreibtischtäter für den Tod von Millionen Juden in Europa ist mannigfaltig dokumentiert.

Nach der Niederlage der Wehrmacht wurde auch Eichmann 1945 interniert. Er konnte jedoch aus dem Internierungslager Ober-Dachstetten entkommen und versteckte sich bis 1950 in West-Deutschland. Eichmann schlug sich unter falschem Namen als Forstarbeiter und auf einer Hühnerfarm durch. Schließlich floh er 1950 über Italien nach Argentinien, wo es unter dem faschistischen Regime des Juan Peron eine sichere Bleibe für ihn und seinesgleichen gab.
Unter dem Namen Ricardo Klement richtete sich Eichmann hier ein. Bald (1952?) folgten ihm seine Frau und seine beiden Söhne.
Die folgenden 8 Jahre lebte er zurückgezogen in diversen Ortschaften und arbeitete in unauffälligen Betrieben. Ende der 50er Jahre wurde Eichmanns Verstrickung in das Judenvernichtungsprogramm bekannt. Der israelische Geheimdienst Mossad begann eine umfangreiche Suche nach ihm, deckte seine wahre Identität auf und schickte ein Spezialistenteam nach Buenos Aires, seinem damaligen Aufenthaltsort. Im Mai 1960 gelang es den Mossad-Leuten, Eichmann nach Israel zu entführen. Während der nächsten 9 Monate wurde er intensiv verhört, wobei seine Aussagen 275 Stunden Tonbandaufzeichnungen bzw. 3.564 Seiten ergaben.

Prozess
Prozess
Der Eichmann-Prozess fand vom 11. April bis zum 15. Dezember 1961 in Jerusalem statt.
Obwohl Eichmann mit der Aktion Reinhard und ihren Konsequenzen vertraut war, hatte er kaum direkte Verbindung zu den ausführenden Organen. Er war der typische Schreibtischtäter, der als "Judenreferent" von Berlin aus die Anordnungen seiner Vorgesetzten befolgte. Dies allerdings als konsequenter, fanatischer und eifriger Gefolgsmann.
Spätere Forschungen, beispielsweise ermöglicht durch die Öffnung ehemals sowjetischer Archive in den 90er Jahren, zeigen, dass die juristische Beweislage gegen Eichmann in einigen Details unsicher war. Zeugenaussagen waren zwar von wichtiger historischer Bedeutung, konnten aber nicht auf Eichmanns direkte Aktivitäten angewendet werden. Für die Gesamtbeurteilung seiner Schuld war dies letztlich aber nicht von Relevanz. Die Folgen seiner Tätigkeit und der Umfang seines verbrecherischen Tuns wurden nie bezweifelt.
Eichmann wurde schließlich zum Tode verurteilt und am 31. Mai 1962 um Mitternacht gehängt. Ein Berufungsantrag war abgewiesen worden. Es blieb das einzige vollstreckte Todesurteil in Israel. Eichmanns Leiche wurde in einem behelfsmäßen Krematorium verbrannt. Er hätte sich zu Lebzeiten sicher nicht träumen lassen, auf dieselbe Weise zu enden wie seine Opfer in Auschwitz, Chelmno, Belzec, Sobibor, Treblinka, und Majdanek. Seine Asche wurde außerhalb der israelischen Hoheitsgewässer ins Mittelmeer geworfen.

Der Eichmann-Prozess war von kaum abzuschätzender Relevanz für die Geschichtsschreibung des Holocaust. 15 Jahre lang gab es nur wenige bedeutende Diskussionen des Themas. Der Prozess war Anlass für eine neue Generation, sich nun endlich eingehender mit dem Holocaust zu befassen. Bis heute decken Forscher immer neue Verbrechen auf, finden immer noch neue Beweise, und Gelehrte unterrichten in diversen Instituten weltweit die Interessierten. So wurde auch der Boden bereitet für etliche Prozesse gegen Holocaust-Täter, z.B. den Auschwitz-Prozess von 1963 - 1966 oder den 1. Treblinka-Prozess von 1964 - 1965.


Eichmann im Osten

Im Mai 1960 wurde Eichmann verhört von Avner W. Less, einem israelischen Polizeihauptmann. Eichmann gab zu, bei einem Treffen mit Heydrich von ihm darüber informiert worden zu sein, dass der "Führer" die physische Vernichtung der Juden angeordnet hätte. Heydrich befahl Eichmann, den "SS- und Polizeiführer im Distrikt Lublin", Odilo Globocnik, aufzusuchen, der bereits von Himmler autorisiert worden war, mit der Vernichtung zu beginnen. Er sollte über Globocniks Methoden berichten.
Heydrich war der Meinung, dass Globocnik russische Panzergräben als Ort für Massenerschießungen benutzen würde, in denen die Juden auch gleich verscharrt würden. Eichmann datierte diesen Befehl auf den Spätsommer bzw. Frühherbst 1941. Es gab eine wohl umstandsbedingte Verzögerung von 2-3 Monaten zwischen Erhalt des Befehls und seinem Besuch in Lublin. Auf jeden Fall fuhr Eichmann nach Lublin und meldete sich bei Globocnik. Dieser beauftragte seinen Mitarbeiter Hermann Höfle, Eichmann herumzuführen.
Beide fuhren von Lublin nach Belzec. Eichmann beschrieb den Ort: Eine Hauptstraße verlief zwischen Waldstücken. Rechts stand ein Haus, in dem die Männer wohnten, die im Lager arbeiteten. Ein Hauptmann der Ordnungspolizei empfing sie. Das war Christian Wirth. Einige Arbeiter waren noch dort. Wirth zog seine Jacke aus, krempelte die Ärmel hoch und half bei der Arbeit. Zwei oder drei kleine Holzbaracken wurden gerade gebaut. Höfle sagte zu Wirth, er solle Eichmann den Sinn der Baumaßnahme erklären, was dieser auch tat. Wirth berichtete Eichmann, dass er alles luftdicht gemacht hatte. Es schien so, als ob die Arbeiter einen russischen U-Boot-Motor mit den Gebäuden verbinden würden, die Abgase hineinpumpen und so die Juden darin vergasen wollten.
Eichmann sagte zu Less, dass ihn diese Aussicht "erschreckt" hätte.

Eichmann war sich nicht sicher (möglicherweise absichtlich), ob er das Geschilderte in Belzec oder Treblinka gesehen hatte. Der Termin macht es aber sicher, dass es Belzec gewesen sein muss. Obwohl er angab, "in der 2. Jahreshälfte 1941 einige der ersten Einrichtungen zur Vernichtung der Juden" gesehen zu haben, fand sein Besuch möglicherweise erst Anfang 1942 statt, als die Gaskammern bereits gebaut waren und man dort auf die Ankunft des ersten Judentransportes wartete (siehe Aktion Reinhard and the Emergence of "The Final Solution" für eine alternative Interpretation seines Besuches).
Sein Besuch in Belzec fiel zusammen mit dem Beginn der Deportationen tschechischer Juden aus Terezin (Theresienstadt) und der Slowakei, die alle in den Distrikt Lublin transportiert wurden.
Zwischen März und Juni 1942 wurden die Juden aus der Tschechei und Slowakei in die Transit Ghettos Izbica, Zamosc, Rejowiec, Chelm, Piaski, Lubartow, Miedzyrzec Podlaski, Deblin und Opole Lubelskie, nach Majdanek oder direkt nach Sobibor gebracht. Etwa 14.000 tschechische und 39.889 slowakische Juden wurden deportiert, von denen 6.900 Tschechen und 9.700 Slowaken in den Gaskammern von Belzec starben.

Gestapochef Heinrich Müller befahl Eichmann später, über den Einsatz von Gaswagen in Chelmno. Dort wurde Eichmann Augenzeuge der furchtbaren Vorgänge. Er betonte, dass ihn das angewidert hätte.
Müller schickte Eichmann auch nach Minsk, wo er einer Massenerschießung durch die Einsatzgruppe B beiwohnte. Er fuhr über Lviv (Lwow) zurück, wo er an einer Erschießungsstätte vorbei fuhr, aus deren Leichengrube das Blut "wie eine Fontäne" heraus schoss.
Auf seiner Tour durch die Mordstätten erhielt Eichmann Müllers Befehl, Globocnik erneut in Lublin aufzusuchen. Nun ging die Fahrt nach Treblinka, wo die Vergasungseinrichtungen besichtigt werden sollten. Eichmann erwartete, wie schon in Belzec, wieder einige Holzhäuser und Baracken. Nun sah er jedoch ein nachgebautes Bahnhofsgebäude, das die angelieferten Juden täuschen sollte. Eichmann gab im Verhör an, sich weitmöglichst von der vorgeführten Vergasung zurück gehalten zu haben und sich nicht bemüht hätte, alles näher zu betrachten. Immerhin hatte er aber den eingezäunten Schlauch gesehen, durch den nackte Juden in ein großes Gebäude zur Vergasung getrieben worden waren.
Weil mittlerweile bekannt ist, dass der Scheinbahnhof des Vernichtungslagers Treblinka Ende Dezember 1942 eingerichtet worden ist, muss Eichmann 1943 dort gewesen sein.
Eichmann gab auch zu, dass er nach der Wannsee-Konferenz von Heydrich den Auftrag erhalten hatte, Globocnik Mitte 1942 nachträglich für die Morde an den Juden zu bevollmächtigen, obwohl das Morden bereits im Gange war.
In seinem Prozess gab Eichmann zu, in Belzec und Treblinka gewesen zu sein. Bis zuletzt bestritt er jedoch, auch Sobibor besichtigt zu haben. Eine Anzahl Zeugen gab aber an, ihn doch in Sobibor gesehen zu haben, so z.B. Moshe Bahir. Manchmal soll Eichmann Himmler begleitet haben, der sicher dort gewesen ist. Die Zeugen konnten einer eingehenden Befragung allerdings nicht standhalten.

Jacob Frank, Jude und gebürtiger Lubliner, war der von der SS eingesetzte Aufseher der Schneiderei im Zwangsarbeitslager Lipowa Straße in Lublin. Er erinnerte sich an eine Inspektion des Lagers, an der auch Eichmann beteiligt war, begleitet von den SS-Männern Globocnik, Maubach, Mohwinkel, Schramm, Klein, Hantke und SS-Standartenführer von Alvensleben.
Eichmann besuchte Lublin sicher noch öfter. So trafen sich Globocnik und Eichmann auch am 9. Juli 1943, nachdem Globocnik Eichmann um einen Pass für den deutschen Geschäftsmann Walter Caspar Többens gebeten hatte, der damals 4.500 Juden in seinen Betrieben im Warschauer Ghetto beschäftigte.


Entschlüsselte Deutsche Polizeitelegramme

In einer Nachricht vom 24. August 1942, die Globocnik an Rolf Günther (Eichmanns Vertreter in der RSHA-Abteilung IVB4) schickte (Betr.: Aussiedlung rumänischer Juden), wurde befohlen, dass alle Deportationszüge zuerst nach Trawniki gehen sollten. Von dort aus würde die weitere Verteilung geregelt. Das Telegramm ist kaum lesbar und so schlecht erhalten, dass eine Abbildung nicht sinnvoll ist.

Am 26. und 28. September 1942 fand eine Konferenz im Verkehrsministerium in Berlin statt, um die zusätzlichen Transportkapazitäten für 600.000 Juden aus dem Generalgouvernement und 200.000 Juden aus Rumänien (die nach Belzec gebracht werden sollten) zu diskutieren. Anwesend waren entweder Eichmann oder Günther, ferner Steir (GEDOB) und als Vorsitzender Klemm (Verkehrsministerium). Es wurde folgendes entschieden:

Aussiedlung der polnischen Juden
Dringende Transporte, wie vom Chef der Sicherheitspolizei und des SD vorgeschlagen:
2 Züge täglich vom Distrikt Warschau nach Treblinka
1 Zug täglich vom Distrikt Radom nach Treblinka
1 Zug täglich vom Distrikt Krakau nach Belzec
1 Zug täglich vom Distrikt Lwow nach Belzec
Diese Transporte werden durchgeführt mit 200 Güterwagen, die bereits für diesen Zweck durch Befehl der Reichsbahndirektion in Krakau soweit wie möglich bereit gestellt worden sind.
Nach Fertigstellung der Reparaturarbeiten an der Bahnstrecke Lublin – Chelm, voraussichtlich im November 1942, werden die anderen dringenden Transporte ebenfalls durchgeführt. Das sind:
1 Zug täglich vom Distrikt Radom nach Sobibor
1 Zug täglich vom Distrikt Lublin nach Belzec
1 Zug täglich vom mittleren Distrikt Lublin nach Sobibor
insofern dies machbar ist, und die erforderliche Anzahl von Güterwagen erhältlich ist. Mit der Verringerung des Kartoffeltransportes wird erwartet, dass der Reichsbahndirektion Krakau die erforderliche Anzahl an Güterwagen zur Verfügung gestellt werden kann. So wird die erforderliche Transportkapazität entsprechend der oben erwähnten Vorschläge sichergestellt und die Planung dieses Jahr erfüllt.
Die Deportation der rumänischen Juden fand letztlich auf Grund diverser Faktoren nicht statt.

Eines der wichtigsten Telegramme, das von der britischen Abwehr aufgefangen und entziffert werden konnte, war der Jahresabschlussbericht der Aktion Reinhard, der am 11. Januar 1943 von Höfle an Eichmann geschickt worden ist, gekennzeichnet als "Geheime Reichssache". Ein zweites Telegramm, an SS-Obersturmbannführer Heim (BdS Krakau) geschickt, war möglicherweise identisch. Verschlüsselt gibt es Auskunft über die Opferzahlen von Belzec, Sobibor, Treblinka und Majdanek für das Jahr 1942.

Telegramme an Eichmann
Eichmanns Helfer

Quellen:
Eichmann Interrogated. Jochen von Lang, Da Capo Press,1999.
Hitler’s Man in the East – Odilo Gobocnik. Joseph Poprzeczny, McFarland 2004.
Public Records Office – Kew.
Belzec, Sobibor, Treblinka.Yitzhak Arad, Indiana University Press,1987.
Bundesarchiv in Ludwigsburg, II-208 AR 643/71, The documents of the investigations against Karl Streibel and others, Vol. IV.
Migracje ludnosci w dystrykcie lubelskim w latach 1939-1944 (Migrations of the population in the Lublin District in the Years 1939-1944). Janina Kielbon, Lublin, 1995.
Fateful Months – Essays on the Emergence of the Final Solution. Christopher Browning, Holmes & Meier, 1991.
Eichmann – His Life and Crimes. David Cesarani, William Heinemann, 2004.
Encyclopedia of the Holocaust. Israel Gutman, ed. Macmillan Publishing Company, New York, 1990
www.nizkor.org
www.pbs.org

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