Georg Wippern wurde am
26. Mai 1909 in
Hildesheim geboren. Während seiner Dienstzeit in
Lublin war er eine bedeutende Figur im Rahmen der
Aktion Reinhard, der Ausplünderung und Ermordung der Juden im Generalgouvernement.
Eine seiner nach dem Krieg gemachten Aussagen fasst seine Rolle in
Lublin zusammen:
"
Als Leiter der
Standortverwaltung der SS-Garnison in
Lublin erhielt ich im Frühjahr 1942 einen Befehl
vom Leiter der Hauptwirtschaftsverwaltung in Berlin,
Oswald Pohl, die Sammlung und Sortierung von Schmuck,
Wertsachen und Devisen aus beschlagnahmtem jüdischen Vermögen zu übernehmen
und für den korrekten Transfer nach Deutschland zu sorgen.
Angesammelter Schmuck und andere Wertsachen sowie ausländische Währungen wurden
an das
WVHA in Berlin und danach an die
Reichsbank gegen Empfangsbestätigung geliefert. Unschöner Goldschmuck wurde eingeschmolzen und als Barren
an die Reichsbank geliefert. Dasselbe geschah auch mit dem Silber. Polnische Währung wurde durch mein Büro
bei der Emissionsbank in Lublin auf ein Reichsbankkonto überwiesen."
In den frühen Tagen der Aktion Reinhard lieferte
Christian Wirth den beschlagnahmten Schmuck und andere Wertsachen der Juden
direkt an die Reichsbank, jedoch in einer unbefriedigenden Art und Weise. Nach einem Befehl
Pohls musste
Wirth die Wertsachen an Wippern
übergeben.
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Zahngold |
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Lager Chopin Straße |
Wipperns Sortierungs- und Verarbeitungsabteilung war bekannt als
Abteilung Reinhard bzw. Abteilung 1Va. Zwei ältere SS-Männer, Unterscharführer
Eicholz und
Dorl, leiteten ein
aus 20 - 30 jüdischen Zwangsarbeitern bestehendes Kommando. Dieses musste die geraubten Wertsachen
von hunderttausenden jüdischen Familien sortieren und lagern. Bankangelegenheiten wurden von den
gelernten Bankfachleuten SS-Obersturmführer
Huber,
SS-Oberscharführer
Teichelmann,
SS-Unterscharführer
Pflanzer und
Rzepa bearbeitet.
Wipperns Abteilung befand sich in einem fünfstöckigen Gebäude
in der
Chopin Straße 27, in der Nähe des Stadtzentrums von
Lublin. Hier wurden die Wertsachen sortiert, gereinigt und in riesigen
Regalen vom jüdischen Arbeitskommando zwischengelagert. Die Juden stammten aus dem nahe gelegenen
Zwangsarbeitslager an der
Lipowa Straße.
Ein
Bericht des SS-Sturmbannführers
Albert Franke – Gricksch
erwähnt das Depot in der
Chopin Straße:
"
Von
Trawniki reisten wir zurück nach
Lublin, um das spezielle Unternehmen REINHARD zu besichtigen.
Diese Abteilung hatte die Aufgabe, das gesamte bewegliche Vermögen der Juden im Generalgouvernement
zu verwerten.
Es ist erstaunlich, welch riesiges Vermögen die Juden im Ghetto angesammelt hatten. Sogar zerlumpte
und von Ungeziefer befallene, dreckige kleine Juden, die wie Bettler aussahen, tragen (wenn man ihnen die
Kleidung auszieht) Devisen, Goldstücke, Diamanten und andere Wertsachen mit sich. Wir gingen durch
die Keller dieses "Spezialunternehmens" und wurden an die Märchen von "Tausend und einer Nacht"
erinnert.
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Wipperns Büro in der Standortverwaltung |
Ganze Kartons, gefüllt mit echten Perlen, Schachteln voller Diamanten, ein Korb voller Goldstücke
und viele Kilo Silbermünzen, neben Juwelen jeder Art. Um diese Wertsachen besser verwerten zu können,
schmilzt man im Garten des Hauses das Gold und Silber zu Barren. Da gibt es eine kleine Gießerei, in der
Gold und Silber geschmolzen werden, dann in Barren gegossen werden und an gewissen Tagen an die Reichsbank
geliefert werden. Das "Spezialunternehmen REINHARD" hat bis jetzt 2.500 Kilo Gold, 20.000 Kilo Silber,
6,5 Kilo Platin, 60.000 Reichsmark in Devisen, 800.000 Dollar Bargeld und 144.000 Golddollar abgeliefert. Die
riesige Menge an Diamanten und Perlen kann kaum abgeschätzt werden."
Wipperns Büros lagen in benachbarten Gebäuden an der Ecke der
Pilsudski Allee und der
Lipowa Straße.
Ebenfalls unter seiner Kontrolle war das Sortierungsdepot auf dem Gelände des Lagers
Flugplatz an der
Chelmska Straße,
in dem die gesamte Kleidung der jüdischen Opfer der Aktion Reinhard-Lager gesäubert und sortiert wurde.
Odilo Globocnik befahl Wippern, das Personal der Lager
Belzec und
Sobibor mit SS-Uniformen auszustatten. Wippern sagte dazu aus:
"
Der SS- und Polizeiführer Lublin, Globocnik,
hatte bereits bei mir angefragt, die 40 Männer aus dem Reich auszustatten. Zu der Zeit war noch nichts von
einer Umsiedlung der Juden gesagt worden. Das war ein SS-Sonderkommando, das von
Berlin geschickt worden war."
Nach dem Krieg war Wippern Verwaltungsbeamter im mittleren Dienst. Er zog mit seiner Familie öfters um und wohnte in
Saarbrücken, Hannover, Aachen, Bad Dürrheim, Homburg (Jägersburg) und
Bonn. Die vielen Umzüge mögen begründet gewesen sein durch Nachforschungen deutscher
Behörden im Zuge des neueren Interesses an Nazi-Verbrechen als Folge des
Eichmann-Prozesses.
Seinen Kindern war Wipperns Tätigkeitsbereich in
Lublin nicht bekannt.
Seine Enkeltochter beschreibt ihn als gut erzogenen, intelligenten und gebildeten Mann, der ihr stets ein
liebevoller Großvater gewesen ist. Er wachte nachts oft schreiend auf, von
Albträumen geplagt. Seiner Frau sagte er dann, er hätte von Gefechten geträumt, hatte er doch eine
Schussverletzung an der Schulter. Vielleicht deutet dies darauf hin, dass seine Tätigkeit in
Lublin doch nicht seinem Charakter und Wesen entsprochen hat.
1942 hatte er mehrmals das Lager
Majdanek aufgesucht. Danach kam er immer "zittrig und bleich" heim.
Nach dem Krieg musste sich Wippern vor deutschen Untersuchungsbeamten zu seiner Tätigkeit in Polen
äußern. Ein Prozess wurde nicht eröffnet. Wippern wurde nicht verurteilt. Dies mag darauf
zurückzuführen sein, dass er tatsächlich keine Verbrechen im engeren Sinn verübt hat, sondern
nur als Verwaltungschef der Abteilung 1Va tätig gewesen ist und somit ein typisches Beispiel für einen
der vielen "Schreibtischtäter" sein mag.
Im
Frühjahr 1993 ist Wippern in
Bonn
gestorben.
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